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Garden dabei zn wenig geschont habe, brauste er auf: »Ew. Maje¬
stät, ich bedaure herzlich den Verlust manches braven Kerls, aber
bei solcher Gelegenheit ist der Kopf eines Gardisten nicht mehr
Werth, als der Kopf eines Landwehrmannes.«
Lebrecht von Blücher, Fürst von Wablstadt, schreibt Varnhagen
von Ense, war von großer, schlanker Gestalt, von wohlgebildeten,
starken Gliedern. Ein herrlicher Schädel, eine prächtige Stirn, eine
stark gekrümmte Nase, sckarfe, heftig rollende und doch im Grunde
sanftblickende, hellblaue Augen, dunkel geröthete Wangen, ein feiner,
aber vom starken, herabhängenden Schnurrbart fast überschatteter
Mund, ein wohlgeformtes, starkes Kinn: Alles dies stimmte zu
einem tüchtigen Menscheuantlitz überein, dessen ausgearbeitete Züge
sogleich einen bedeutenden Charakter erkennen ließen. Sein ganzes
Ansehen trug -das Gepräge eines Kriegshelden, eines gebietenden,
wie eines vollstreckenden. Muth und Kühnheit leuchteten aus sei¬
nem ganzen Wesen hervor. Seine Unerschrockenheit in gefährlichen
Lagen, seine Ausdauer im Unglück und sein bei allen Schwierig¬
keiten wachsender Muth gründeten sich auf das Bewußtsein seiner
körperlichen Kraft, die er in früheren Feldzügen im Handgemenge
oft geübt hatte. So war es bei ihm nach und nach zur Ueber-
zeugung geworden, daß es keine militairische Verlegenheit gebe, aus
welcher man sich nicht am Ende durch einen Kampf Mann gegen
Mann herausziehen könne.
Wenn die Truppen ihre Befehle hatten, so konnte er die Aus¬
führung kaum erwarten, und alle Bewegungen schienen ihm zu lang¬
sam. Es war nicht rathsam, ihm den Entwurf zu einer Schlacht
vorzulegen, deren Dauer auf den ganzen Tag und die Entscheidung
auf den Abend berechnet war. Sein Charakter verlangte schnellere
Entscheidung. Die Reiterei war seine Lieblingswaffe.
Von seinem Gleichmuth in Gefechten, von seiner Todesverachtung
werden viele Züge erzählt. Im größten Kugelregen bei Lignv rauchte
er gelassen seine Pfeife, die er an der brennenden Lunte des nächsten
Kanoniers angezündet hatte. Seine Umgebungen hatten immer alle
Mühe, ihn von der persönlichen Theilnahme an einzelnen Angriffen
zurückzuhalten, besonders wenn ein Gefecht ungünstig ausfiel: dann
wollte er zuletzt immer persönlich mit der Reiterei Alles wieder
umlenken, und indem er sagte: »Ich werde sie gleich mal anders
faßen!« oder: »Na, ich will schon macken, laßt mich nur erst unter
sie kommen!« sah er sich eifrigst nach der nächsten Reiterei um, rief
die Anführer herbei, denen er das Meiste zutraute, und war oft kaum
zu verhindern, seinen für das Ganze vielleicht schon zwecklosen, für die
Truppen aber selbst im Gelingen verderblichen Anschlag auszuführen.
Aus dem Schlafe aufgerüttelt, um die Meldung zu vernehmen,
daß Napoleon eine neue, so unerwartete, als kühne Bewegung