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Fast nur die Geistlichen waren im Besitze einiger gelehrten
Kenntnisse. Besonders sind die Klöster als Rettungsanftalten
der Wissenschaften zu betrachten. Die Mönche beschäftigten sich
viel mit Bücherabschreiben und retteten so manches klassische
Werk des Alterthums vom Untergänge. Eine Bibliothek galt
als besondere Zierde jedes Klosters. Auch waren die Kloster-
geistlichen Lehrer der Jugend. Allein die Einrichtung der
Klvsterschulen war noch zu unvollkommen, als daß sie wahre
Liebe und ächten Eifer für die Wissenschaften hätten erwecken
können. Erft durch ausgewanderte Griechen wurde die Liebe
zum klassischen Alterthume angesacht, zunächst in Italien und
von hier aus auch in den benachbarten Staaten. Die Erfin¬
dung der Buchdruckerkunst insbesondere gab der Bildung eine
größere und umfassendere Ausdehnung. Hiervon werden wir
zu seiner Zeit reden.
Das Gerichtswesen. — Anfänglich war das Gerichts¬
wesen bei den germanischen Völkern sehr einfach, wie wir die¬
ses früher gesehen haben. Als aber mit der Zeit alle Verhält¬
nisse sich weiter ausbildeten, als Nahrungszweige und Lebens¬
arten sich vervielfältigten; so mußten auch solche streitige Fälle
vor die richterliche Entscheidung kommen, auf welche die alten
Gesetze keine Anwendung mehr finden konnten. Die Richter
verfuhren in solchen Fällen nach ihrer besten Einsicht und
richteten sich in der Folge unter einander nach den obgefaßten
Erkenntnissen. Mit der Zeit wurden solche Gewohnheitsrechte
ausgeschrieben. So entstand in Deutschland ungefähr um das
Jahr 1226 der Sachsenspiegel, und etwa fünfzig Jahre
lpäter der Schwabenspiegel. Beide enthielten Sammlun¬
gen von Rechtsgewohnheiten, jener für Norddeutschland, dieser
für Süddeutschland. — Im gerichtlichen Verfahren wurden die
früher üblichen Ordale oder Gottesurtheile, von welchen Seite
130 die Rede war, immer seltener. Dagegen kam die Folter
in Gebrauch. Durch furchtbare Marterwerkzeuge suchte man
das Geftändniß von dem Angeschuldigten zu erzwingen.
Die Fehmgerichte. — Aus den alten Gaugerichten gingen
die berühmten Fehmgerichte hervor, deren vorzügliche Wirk-
Welttr's Auszug, 26. Aufl. 1 4