182
Gregor VII.
Kaiser aber jedesmal das Bestatigungsrecht vom Papste erhalten solle.
Alle fünf Päpste, denen Hildebrand zur Seite gestanden, hatten an der
Verbesserung der kirchlichen Zustände eifrig gearbeitet, sie hatten die
alten Kirchengebote der priesterlichen Ehelosigkeit und eines exemplari¬
schen, sittlich-strengen Wandels erneuert, die kirchliche Disciplin gegen
Geistliche und Weltliche zur Geltung gebracht, besonders aber ihre
Anstrengungen gegen die Simonie gerichtet, d. h. den Kauf und Vex,
kauf geistlicher Güter.
2. Gregor war der Ansicht, daß dem Papste, als dem Stellver¬
treter Christi auf Erden, auch die höchste Gewalt auf Erden gebühre,
daß ihm alle Herrscher zum Gehorsame verpflichtet und also ihm alle
weltlichen und geistlichen Verhältnisse untergeordnet seien. Sobald er
daher selbst (April 1073) den päpstlichen Stuhl bestiegen hatte, ging
er mit Ernst daran, die unter seinen Vorgängern begonnene Reform
der Kirche zu vollenden. Die vielen Gebrechen der Kirche sollten ent¬
fernt, die Geistlichen in strengere Abhängigkeit vom römischen Stuhle
gebracht und die Kirche vom Staate durchaus unabhängig gemacht
werden. Deshalb erneuerte er auf einer Synode zu Nom' (1074, die
alten Gesetze gegen die Simonie, sowie er das bereits in älteren Kir¬
chengesetzen enthaltene Verbot der Verhcirathung der Priester verschärfte,
indem er festsetzte, daß alle verheiratheten Priester von der Kirchengc-
meinschaft ausgeschlossen sein sollten. Eine zweite Verordnung, welche
der Staatsgewalt auf das entschiedenste entgegen trat, enthielt das
Verbot der Investitur der Geistlichen mit Kirchengütern durch Laien.
Sowohl die Laien, welche die Investitur ertheilten, als auch die Geist¬
lichen, welche dieselben von ihnen annehmcn würden, wurden mit dem
Banne bedrohet.
„Kaum ist zu begreifen" sagt der Protestant. Geschichtsschreiber Luden (Allgem.
Gesch. II. S. 306 ff.) „wie man, nachdem 700 Jahre verflossen sind, diese Anordnung
noch immer mit Abscheu verwerfen kann. Will inan über die Ehelosigkeit der Geist¬
lichen ein reines und geschichtlich gegründetes Urtheil gewinnen; so darf man sich,
scheint es, nicht durch das Geschrei jener Zeit, da dieselbe endlich fcstgcstcllt wurde,
bctänben, und ebensowenig darf man sich durch seine eigene Zeit und seine eigene
Neigung bestimmen lassen, sondern man muß zu ruhiger Erwägung unterscheiden:
waö Gregor VII. mit dem Cölibate beabsichtigt habe, was derselbe an sich ist, und
was er gewesen ist unter den gegebenen Verhältnissen damaliger Zeit oder in seiner
geschichtlichen Bedeutung."
„Fragen wir aber — zuerst — wodurch Gregor zu der Verordnung bestimmt
sei, so ist für unreine Zwecke etwas haltbares nicht anfzufinden. Ihn hat zuerst die
Ueberzengnng, wie cs scheint, geleitet, ein wahrer Priester müsse in wahrer Gottcrge-
benheit leben, und ein Muster jeglicher Tugend und jeglicher Aufopferung, könne er
unr vor dem Volke stehen, wenn er, von gemeinen Begierden frei, nur dem Heilande
zu leben scheine und seinem heiligen Berufe; und zweitens die Meinnng, daß die
Kirche nie frei werden könne von den Banden der weltlichen Macht, so lange ihre
Diener, in unkirchlichc Verhältnisse verwickelt, Zwecke verfolgen müßten, welche in dem
Gebiete der weltlichen Macht liegen. — WaS hingegen das Zweite betrifft: den C>.
libat an und für sich, so haben diejenigen im Allgemeinen vollkommen Recht, welche
die Ehelosigkeit darstcllen, als gegen Gott und Natur; daraus aber folgt nicht, daß
nicht einzelne Menschenclassen ehelos bleiben dürften. Die Annahme aber, daß noth-
wendig Unsittlichkcit mit Ehelosigkeit verbunden sei, scheint weder von großer Sitt¬
lichkeit zu zeugen, noch von großem Glauben an die sittliche Kraft de« Menschen.
Wer den Menschen der Herrschaft der Sinnlichkeit unterwirft, der macht ihn zum
Thier und entbindet ihn der Tugend! — Endlich leidet es keinen Zweifel, daß das
Heilige der Religion gar würdig von den Händen eines verheiratheten Mannes
verwaltet, und die Wahrheit der Religion gar schön aus dem Mnnde eines verehe-