Full text: Kleine Weltgeschichte oder Geschichts-Katechismus in Gedächtnisversen

64 Neuere Zeit. — Zweiter Zeitraum von 1648 bis 1789. 
44. 
Schon wird der wälsche Zwang gebannt: 
Klopstock singt Glaub' und Vaterland! 
Zum Ziel einst leuchtet L e ssi n g 's Klarheit; 
Und Goeth' und Schiller winkt zur 
Wahrheit. — 
Zum Höchsten schwingt sich deutscher Geist! 
Jedoch des Reiches Band zerreißt; 
Und die des Geistes Freiheit schauen, 
Verschmäh'n, den freien Staat zu bauen I. 
45. 
Inzwischen rufen selbst die Thronen 
Europa's nach »Reformationen« 2); 
Nur bei dem ungewissen Licht 
Gedeihet noch das Rechte nicht. 
Es bringt ein Pomba l3), @ truenseeJ 
Sich selbst, sowie das Land in Weh'; 
Doch sieht man selber Katharinen 
In Rußland den Reformen dienen 3). 
46. 
In Deutschland thront Joseph der 
Zweite, 
Der gern dem Volk sein Leben weihte; 
Nur weiß er nicht das Recht zu schonen, 
Drum dräu'n ihm Aufstan die Na¬ 
tionen 6)- — 
Und — wird der Völker Recht geheilet, 1772 
Wenn selbst ein Friedrich Polen theilet7)? me 
In bessrer Sach' erkämpft er Sieg, 
Als Joseph führt um Bayern Krieg 8). 177S 
Nochmals giebt er sein Streben kund 
Für's Recht — im »deutschen Für- ms 
stenbund« 9). 
47. 
Selbst England kränkt das Recht der 
Freien10)! 
Da sieht den Krieg man sich erneuen- 1773 
Zur Freiheit! — ruft Amerika. 
Franklin bringt Frankreichs Hüls' 
ihm nah'. 
Mit Nachdruck kämpfet Washington; 
Die Freiheit trägt den Sieg davon! i7sr; 
Dort stammt des goldnen Morgens 
Schein! — 
Hüllt nun die Nacht Europa ein u)?! 
I Abr. S. 287 ff. Für Deutschland war noch nicht die Zeit zur Umgestaltung 
des Staatswesens nach den Ideen der großen Denker gekommen. (Schiller's Posa: 
»Das Jahrhundert ist meinem Ideal nicht reis!«)^—- 2) Um 1740 begann »das Zeit¬ 
alter der Reformversuche im Innern der Staaten«. Abr. S. 281 bis 293. Diese 
wurden aber noch nirgend auch nur einigermaßen befriedigend durchgeführt. — I Pom- 
bal, Minister in Portugal, führte durch seine übereilten Umgestaltungen des Staates 
seinen eigenen Sturz herbei 1777. Abr. S. 289. — 4) Struensee, dänischer Mini¬ 
ster von 1770 bis 1772, endete auf dem Schasot. Abr. S. 291. — 5) Katharina II., 
»die Große« genannt, versuchte sogar Rußland nach den von den französischen Philoso¬ 
phen ausgestellten Ideen umzugestalten, obwohl dieselben für dieses barbarische Land 
durchaus noch nicht paßten. Abr. S. 292. 293. —6) Vgl Abr. S. 286. 287. — 7) Abr. 
S. 276. Als die Russen in einem von Frankreich angestifteten Türkenkriege die Mol- 
- dau und Wallachei besetzten, hielt man dadurch das Gleichgewicht Europa's mit 
Recht gefährdet, und Friedrich II. ging auf den Plan der ersten Theilung Polens 
ein, um ohne einen allgemeinen Krieg („uns Anerrs Asnsrulv") Rußland zur Räu¬ 
mung der Donaufürstenthümer zu bestimmen. Seit jener Zeit hat Rußland nach und 
nach immer größere Macht in den Donaufürstenthümern zu gewinnen gewußt unv 1854 
schien es dieselben völlig an sich reißen zu wollen! — 8) In dem bayerischen Erbsolge- 
kriege (1778, 1779) wußte Friedrich d. Gr. den Vergrößerungsplänen Joseph's II, 
Schranken zu setzen. Abr. S. 280. — 9) Den »deutschen Fürstenbund« stiftete Friedrich 
d. Gr., »um das deutsche Reich vor der Gefahr zu schützen, daß die Sicherheit seiner 
Glieder jemals bloß von der Mäßigung des Hauses Oesterreichs abhängig würde«. Abr. 
S. 280. — 10) Als England seinen amerikanischen Cvlonieen willkürlich Steuern 
auferlegen wollte, erhoben sich dieselben zum Freiheitskampfe und begründeten die Re¬ 
publik der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Abr. S. 278. — u) Schon da¬ 
mals tauchte der Gedanke auf, Europa habe sich überlebt, und indem die Cultur wie 
die Sonne ihren Weg weiter nach dem Westen nehme, werde Europa in Nacht versinken. 
Aber die Sonne, die nach Westen zieht, kehrt von dort zurück, um bald auch für den 
Osten einen neuen Morgen heraufzuführen!
	        
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