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Entschuldigungen vorbringen. Als dieser aber mit den kecksten
und beleidigendsten Worten gegen den Papst auftrat, fuhr die
ganze Versammlung entrüstet von ihren Sitzen auf. Und viel¬
leicht wäre es jetzt, in der ersten leidenschaftlichen Aufregung
gegen das unwürdige Benehmen des kaiserlichen Gesandten, zu
den ärgerlichsten Auftritten gekommen, wäre nicht Gregor selbst
in's Mittel getreten. Er allein verlor die Fassung nicht. Er
stellte vor, daß hier geistliche Waffen genügten. Dann las er
selbst den empfangenen Brief des Königes mit lauter Stimme
der Versammlung vor. Dieser Brief war voll heftiger Schmä¬
hungen und begann mit den Worten: „Heinrich, nicht durch
Anmaßung, sondern nach Gottes frommer Anordnung König,
an Hildebrand, nicht den Papst, sondern den falschen Mönch." —
Gleich am folgenden Tage hielt Gregor eine neue Versammlung,
sprach nun den Bann der Kirche über ihn aus und entband die
Christen von allen Eiden, die sie ihm geleistet hatten. Kein
Unterthan und Diener sollte ihm gehorchen, kein Priester ihm
die h. Sakramente reichen, Jeder ihn als einen Verpesteten
ftiehen. Mit dem Könige wurden auch die Bischöfe, welche zu
Worms die Absetzung des Papstes ausgesprochen hatten, in
den Bann gethan.
Hierüber entstand eine unselige Spaltung in Deutschland,
Italien und den meisten übrigen Staaten. Es bildeten sich zwei
große Parteien, von denen die eine für den Papst, die andere
für den König war. Ueberall waren die Gemüther furchtbar
erschüttert; eine schreckliche Gährung ging durch das ganze deut¬
sche Reich. Die Sachsen jubelten, weil nunmehr ihre Sache
auch eine Augelegenheit der Kirche geworden war. Sie traten
schnell wieder zusammen und rüsteten sich. Zugleich ergriffen
alle übrigen Mißvergnügten die günstige Gelegenheit, sich gegen
Heinrich zu empören. Heinrich rief seine Freunde auf, sich um
ihn zu vereinigen. Keiner erschien! Er bat, er ftehete, er drohete.
Vergebens! Sein Ansehen im Reiche war dahin. Sofort versam-
melten sich die deutschen Fürsten zu Tribur, den König förmlich