Full text: Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

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Thun und suchte auf alle Art ihrer Freiheit Abbruch zu thun. 
Allein die Bürger hegten diese wie das köstlichste Kleinod dcS 
Lebens. Zu ihrer Vertheidigung übte sich Jeder im Gebrauche 
der Waffen. Ueberhaupt war in den damaligen unsicheren Zei- 
len die ganze städtische Ordnung auf Krieg berechnet. Die 
Bürgerschaft war nach ihrem Gewerbe und ihrem Wohuplatze 
in Zünfte eingetheilt, und hienach die Bürgerwchr geordnet und 
geregelt. Sobald nun eine Gefahr der Vaterstadt drohete, ver¬ 
sammelte sie sich, jede Zunft an ihrem Platze und zu ihrem 
Banner, und Alle zogen vereint zum Kampfe aus. Wetteifer 
entflammte ihre Tapferkeit; denn sobald cs die Ehre und Frei¬ 
heit der eigenen Vaterstadt galt, war jeder Bürger reich an 
Muth und Vluth. Nicht bloß zur Vertheidigung nahm er seine 
Waffen, sondern auch zum Angriffe nach erlittenem Unrechte. 
Aber auch unter den Bürgern derselben Stadt entstanden oft 
heftige Unruhen und blutige Auftritte. Die alten vornehmen 
Familien der Stadt, die nach Weise der alten Römer Patri¬ 
cier genannt wurden, hatten auch den Stolz und den Ueber- 
umth derselben angenommen. Sie hatten die ganze Verwaltung 
und Negierung an sich gerissen und die Zünfte von jeder Theil¬ 
nahme ausgeschlossen. Hierüber kam es oft zu lärmenden Auf¬ 
tritten wie in dem alten Rom, und die Unruhen legten sich 
nicht eher, als bis auch sie in den städtischen Angelegenheiten 
eine Stimme bekamen. Die freien Verfassungen der meisten 
städtischen Gemeinden weckten vaterländischen Sinn und Bürger- 
tugend, so daß die Städte allmälig der Sitz der Kraft, der 
Bildung und eines gesitteten Lebens wurden, während d»r Ritter- 
stand von seiner durch die Krcuzzüge herbeigeführten Höhe immer 
mehr hinabsank. Die Nathhäuser, die gothischen Domkirchen und 
die mit Erkern versehenen Wohnhäuser der meisten deutschen 
Städte zeugen von der Kraft, dem Wohlstände und der Bil¬ 
dung der Bürger, die nicht bloß mit den Erzeugnissen ihrer 
eigenen Gewcrbthütigkeit, sondern anch mit denen fremder Länder 
ausgedehnten Handel trieben.
	        
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