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Thun und suchte auf alle Art ihrer Freiheit Abbruch zu thun.
Allein die Bürger hegten diese wie das köstlichste Kleinod dcS
Lebens. Zu ihrer Vertheidigung übte sich Jeder im Gebrauche
der Waffen. Ueberhaupt war in den damaligen unsicheren Zei-
len die ganze städtische Ordnung auf Krieg berechnet. Die
Bürgerschaft war nach ihrem Gewerbe und ihrem Wohuplatze
in Zünfte eingetheilt, und hienach die Bürgerwchr geordnet und
geregelt. Sobald nun eine Gefahr der Vaterstadt drohete, ver¬
sammelte sie sich, jede Zunft an ihrem Platze und zu ihrem
Banner, und Alle zogen vereint zum Kampfe aus. Wetteifer
entflammte ihre Tapferkeit; denn sobald cs die Ehre und Frei¬
heit der eigenen Vaterstadt galt, war jeder Bürger reich an
Muth und Vluth. Nicht bloß zur Vertheidigung nahm er seine
Waffen, sondern auch zum Angriffe nach erlittenem Unrechte.
Aber auch unter den Bürgern derselben Stadt entstanden oft
heftige Unruhen und blutige Auftritte. Die alten vornehmen
Familien der Stadt, die nach Weise der alten Römer Patri¬
cier genannt wurden, hatten auch den Stolz und den Ueber-
umth derselben angenommen. Sie hatten die ganze Verwaltung
und Negierung an sich gerissen und die Zünfte von jeder Theil¬
nahme ausgeschlossen. Hierüber kam es oft zu lärmenden Auf¬
tritten wie in dem alten Rom, und die Unruhen legten sich
nicht eher, als bis auch sie in den städtischen Angelegenheiten
eine Stimme bekamen. Die freien Verfassungen der meisten
städtischen Gemeinden weckten vaterländischen Sinn und Bürger-
tugend, so daß die Städte allmälig der Sitz der Kraft, der
Bildung und eines gesitteten Lebens wurden, während d»r Ritter-
stand von seiner durch die Krcuzzüge herbeigeführten Höhe immer
mehr hinabsank. Die Nathhäuser, die gothischen Domkirchen und
die mit Erkern versehenen Wohnhäuser der meisten deutschen
Städte zeugen von der Kraft, dem Wohlstände und der Bil¬
dung der Bürger, die nicht bloß mit den Erzeugnissen ihrer
eigenen Gewcrbthütigkeit, sondern anch mit denen fremder Länder
ausgedehnten Handel trieben.