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16. Karl's erster Sachsenkrieg (772).
Hieraus begann cher langwierigste und blutigste Krieg mit
den Sachsen. Dieses alte mächtige Volk des Nordens be¬
wohnte damals die weite Ebene zwischen der Elbe, dem Nieder¬
rhein und der Nordsee. Wild wie sein Land, geschützt durch
unermeßliche Wälder und Sümpfe, mehr aber noch durch
angestammte Tapferkeit, hielt es fest an den vaterländischen
Sitten und trotzte jeder fremden Gewalt. Am meisten haßte cs
die übermüthigen Franken und deren Religion. Unerträglich er¬
schien es den Sachsen, daß ein König Gewalt über das Leben
eines freien Mannes, ein Held nicht seinen eigenen Himmel, ein
Mann nicht das Recht haben sollte, die ihm zugefügten Be¬
leidigungen selbst zu rächen. Voll Erbitterung fielen sie wieder¬
holt in das fränkische Gebiet und raubten und mordeten. Jeder
mißlungene Versuch erhöhete nur ihre Kühnheit. Noch jüngst
hatte ihnen Pipin der Kleine mit dem Schwerte das Versprechen
abgezwungen, jährlich dreihundert Pferde als Tribut zu liefern
und das unter ihnen angefangene Bekehrungswerk nicht zu hin¬
dern. Aber kaum hatte der Sieger den Rücken gewandt, so
erschlugen sie ihre Bekehrer, verbrannten die Kirchen und kehrten
jauchzend in die Wälder zu den Altären ihrer vaterländischen
Götter zurück. Karl sah wohl ein, daß ohne völlige Unterwer¬
fung dieser gefährlichen Nachbaren keine Ruhe, keine Sicherheit
für sein eigenes Reich zu gewinnen sei. Auch hielt er sich als
Christ im Gewissen verpflichtet, das Heidenthum und insbeson¬
dere die grausamen Menschenopfer unter den Sachsen auszurotten
und diese mit Gewalt zur Annahme des Christenthums zu zwin¬
gen. Auf einer großen Neichsversammlung zu Worms, im Jahre
772, wurde der Krieg gegen sie beschlossen. Damals ahnete
Karl wohl nicht, daß dieser Krieg mit geringer Unterbrechung
dreiunddreißig Jahre dauern würde.
Auf des Königes Ruf griffen die Frauken gegen ihre alten
Feinde freudig zu den Waffen. Wie ein verheerender Strom
brachen sie in das unvorbereitete Sachsen ein und überfluteten