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Hände gen Himmel und gelobte dem Jupiter, wenn er die
Flucht der Seinigen hemme (Jupiter Stator), einen Tempel.
Sofort standen die Römer und erneuerten das Treffen; der
Sieg wandte sich auf ihre Seite. Da kamen die geraubten
Sabinerinnen mit fliegenden Haaren und zerrissenen Kleidern
herbei, stellten sich zwischen ihre Männer und Väter und mach¬
ten durch ihre Thränen und Bitten dem Kriege ein Ende. Es
kam zwischen beiden Völkern zum Frieden. Fortan sollten
Römer und Sabiner zu einem Volke vereinigt sein, hundert
Sabiner in den Senat ausgenommen werden, und beide Kö¬
nige gemeinschaftlich regieren.
Doch bald war Romulus wieder Alleinherrscher, da Tatius
bei einem Ansstand in Lavinium erschlagen ward. Nach sei¬
nem Tode soll der kriegerische Romulus noch zwei Feldzüge
glücklich beendigt haben. So floß sein Leben unter steten Krie¬
gen dahin. Sein Ende hat die Sage wunderbar ausgeschmückt.
Einst hielt Romulus Heerschau über das Volk: Da erhob sich
plötzlich ein Sturm mit Donner und Blitz, eine schwarze Wet¬
terwolke umhüllte den König und entzog dem Volke seinen
Anblick; von da an war Romulus auf Erden nicht mehr sicht¬
bar. Der Kriegsgott hatte den vollendeten Sohn auf feuri¬
gem Wagen gen Himmel gehoben. Dem Volke erzählte nach¬
her der Senator Proculus Julius, wie ihm Romulus in
göttlicher Gestalt erschienen sei und zu ihm, der anbetend da
gestanden und nicht die Augen zu ihm zu erheben gewagt, ge¬
sagt habe: „Die Götter wollen, daß meine Roma die Haupt¬
stadt der Welt sei; die Römer sollen den Krieg üben und wis¬
sen, daß ihnen keine menschliche Macht widerstehen könne."
Mit diesen Worten habe er sich zum Himmel erhoben. —
Eine andre Nachricht erzählt, daß Romulus von den
Senatoren, denen seine Herrschaft verhaßt gewesen, durch heim¬
lichen Mord bei Seite geschafft sei.