fullscreen: (Für das 8. und 9., resp. 10. Schuljahr) (Band 4, [Schülerband])

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tors zu durchwandern, konnte ich die Augen nicht gegen das gestirnte 
Gewölbe des Himmels erheben, ohne an das Kreuz des Südens zu 
denken, und ohne mir die erhabene Stelle des Dante ins Gedächtnis 
zurückzurufen, welche die berühmtesten Kommentatoren auf das Stern¬ 
bild bezogen haben: 
Zur Rechten kehrt' ich mich, den Geist gewandt 
Zum andern Pol und sah' vier Stern' im Schimmer, 
Die niemand als das erste Paar erkannt. 
Denn Himmel letzt' ihr funkelndes Geflimmer. 
O du verwaistes Land, du öder Nord, 
Du siehst den Glanz der schönen Lichter nimmer! 
Die Befriedigung, welche wir bei der Entdeckung dieses Kreuzes 
des Südens empfanden, wurde lebhaft von denjenigen Personen der 
Schiffsmannschaft geteilt, welche die Kolonien bewohnt hatten. In der 
Einsamkeit der Meere grüßt man einen Stern wie einen Freund, von 
dem man lange Zeit getrennt war. Bei den Portugiesen und Spaniern 
schienen noch besondere Gründe dieses Interesse zu vermehren : ein reli¬ 
giöses Gefühl macht ihnen ein Sternbild lieb, dessen Form ihnen das 
Zeichen des Glaubens ins Gedächtnis ruft, welches von ihren Voreltern 
in den Wüsten der neuen Welt ausgepflanzt wurde. 
Da die beiden großen Sterne, welche die Spitze und den Fuß des 
Kreuzes bezeichnen, ungefähr die nämliche gerade Aufsteigung haben, so 
muß das Sternbild in dem Augenblick, wo es durch den Meridian geht, 
beinahe senkrecht stehen. Diesen Umstand kennen alle Völker, welche 
jenseits des Wendekreises oder auf der südlichen Halbkugel wohnen. 
Man hat beobachtet, um welche Zeit in der Nacht in verschiedenen 
Jahreszeiten das südliche Kreuz gerade oder geneigt ist. Es ist dies 
eine Uhr, welche ziemlich regelmäßig, beinahe um vier Minuten täglich 
vorrückt, und kein anderes Sternbild bietet bei dem bloßen Anblick eine 
so leicht anzustellende Beobachtung der Zeit dar. Wie oft hörten wir 
in den Savannen von Venezuela oder in der Wüste, welche sich von 
Lima nach Truxillo erstreckt, unsere Wegweiser sagen: „Mitternacht ist 
vorbei; das Kreuz sängt an, sich zu neigen." Wie oft haben diese 
Worte uns die rührende Scene ins Gedächtnis gerufen, wie Paul und 
Virginie, sitzend an der Quelle des Flusses der Latanien, sich zum letzten- 
male unterhalten, und wie der Greis bei dem Anblick des Kreuzes im 
Süden sich erinnert, daß es Zeit ist zu scheiden. Humboldt.
	        
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