Heinrich VIII Anna Boleyn. ,
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gelebt. Als ihm aber mehrere Kinder starben, hielt er dies für
eine Strafe Gottes, und die Neigung zu Anna Boleyn mochte
allerdings den Ausschlag geben. Aber um sich scheiden zu lassen
und eine Andere zu nehmen, war die Erlaubniß des Papstes
nöthig. Dieser hätte es wohl auch bewilligt, aber Katharina
war Kaiser Karls V. Base, und der nahm sich ihrer daher an
und drohte dem Papste, wenn er die Scheidung aussprechen
würde. Geradezu wagte indessen der Papst nicht, dem Könige
von England sein Gesuch abzuschlagen; er stellte sich daher, als
wollte er die Sache erst untersuchen und hielt ihn damit an vier
Jahre hin. Endlich riß dem leidenschaftlichen Heinrich die Ge¬
duld. Er brach die Unterhandlungen mit dem Papste ganz ab,
und da ein kluger Geistlicher (der Erzbischof von Canterbury,
Cranmer) aus den Einfall kam: der König könne ja bei den
Universitäten sich Raths erholen, ob es Unrecht sei, sich von
Katharina zu scheiden und die Anna Boleyn zu heirathen, so
ergriff er diesen Rath geschwind. Zu seiner großen Freude spra¬
chen auch die Universitäten ganz so, wie er gewünscht hatte.
Sie erklärten die Ehe mit Katharina für unrechtmäßig und die
mit jeder Andern für erlaubt. Katharina weinte bittere Thränen
und beschwor ihren Gemahl bei der ihm nun 20 Jahre lang be¬
wiesenen Treue, sie doch nicht zu verstoßen. Aber Heinrich war
unerbittlich, und so erhielt sie die Weisung, sich nach einem der
königlichen Lustschlösser zu begeben, wo sie vier Jahre später ge¬
storben ist.
Heinrich heirathete gleich nach Katharina's Verstoßung die
Anna Boleyn und fühlte sich überaus glücklich. Aber auf den
Papst war er so erbittert, daß er sich von der römischen Kirche
nun ganz lossagte, worauf der Papst ihn nach Rom citirte und
ihn, da er nicht erschien, in den Bann that, seine Unterthanen
von ihrem Eide lossprach und England dem rechtgläubigen Kö¬
nige von Schottland gab. (!) Vielleicht hätte er die lutherische
Lehre, die in England viele Anhänger gefunden hatte, angenom¬
men; aber Luther hatte ihm früherhin einmal einen derben
Brief geschrieben, und das konnte ihm der eitle Heinrich nicht
vergessen. Er schrieb daher nach seinen eigenen Gedanken ein
Lehrbuch des christlichen Glaubens und verlangte, daß alle Unter¬
thanen sechs von ihm ausgestellte Artikel, die er für unerläßlich
erklärte, und die zwar meist mit der römischen Lehre überein¬
stimmten. aber den Papst verwarfen, annehmen sollten. Viele