110
Narses bewilligte den tapfern Männern, daß sie mit den Waffen und all'
ihrer Habe abzogen, unter der Bedingung, nie ferner wider die Römer
zu kämpfen."
Ganz Italien ward jetzt eine Provinz des byzantinischen Reiches,
welche Narses unter dem Namen eines Exarchen verwalten sollte; weil
aber Rom durch die Belagerungen und Eroberungen verwüstet und zer¬
stört war, wurde Ravenna zur Hauptstadt von Italien erhoben. Belisar,
dem man eigentlich die Wiedererobernng Italiens verdankte, lebte in Ver¬
gessenheit, und hatte den Schmerz, daß seine Gemahlin Antonia, die
von der Kaiserin, ihrer Freundin, in das schamlose Hofleben hineingerissen
worden war, ihn selbst auf's Empfindlichste zu kränken suchte.
Noch einmal im hohen Alter wurde ihm das Glück zu Theil, seine
Stirne mit frischen Lorbeern zu bekränzen und alle seine Feinde und Nei¬
der zu beschämen. Inflinjan war von Alter entnervt und seine lasterhafte
Gemahlin gestorben, als ein neues Volk, welches bisher noch nicht auf
dem großen Weltschanplatze ausgetreten war, die Bulgaren, die Vor¬
läufer des großen slavischen Völkerstammes, in Makedonien und Thracien
einfiel; ihr Anführer Zabergan drang bis Konstantinopel vor. Da zit¬
terte der Kaiser und die Hauptstadt; Angst und Verwirrung herrschte
allenthalben. Jetzt rief der Kaiser den verstoßenen Helden wieder zu sich
und erbat von ihm die Rettung des Reiches. Belisar, der Heldengreis,
stellte sich an die Spitze entschlossener Bürger, mit Muth und Unerschrocken¬
heit schlug er die Barbaren vor den Thoren Konstantinopels und brachte
sie durch geschickte Wendungen und Märsche in solche Noch, daß sie in
größter Unordnung in ihre vorigen Wohnsitze an der Donau zurückflohen.
Allein auch diese That wurde dem Belisar schlecht gelohnt. Als bald
darauf eine Verschwörung gegen des Kaisers Leben ausbrach, beschuldigte
man ihn der Theilnahme an derselben und warf ihn in's Gefängniß. Erst
kurz vor seinem Tode erhielt er die Freiheit wieder. Es war dies wohl
des Undanks und Unglücks genug; die Erzählung von Belisar's Blen¬
dung ist eine Erdichtung.
Inflinjan starb im Jahre 560. Mit seinem Tode fing das oströmi¬
sche Reich an zu sinken. Bei mannichsachen Fehlern schuf Inflinjan Gro¬
ßes für seine und für die künftige Zeit. Das Gesetzbuch, welches unter
seinem Namen bekannt ist, und bei dessen Abfassung vornehmlich sein ge¬
lehrter Freund und Rathgeber Tribonian betheiligt war, galt fortan
als Vorbild für alle folgenden Gesetzgebungen. Durch die Einführung
der Seidenkultur eröffnete er einen neuen und reichen Erwerbsquell für
Europa. Es wird erzählt, daß zwei Mönche die Seidenraupeneier in
ausgehöhlten Stäben nach Konstantinopel brachten. Inflinjan baute eine
bedeutende Anzahl christlicher Kirchen und Krankenhäuser, stellte Brücken
und Wasserleitungen her und befestigte die Grenzen seines Reiches durch
die Anlage einer großen Menge Kastelle und Festungen.
Dennoch ging schon unter seinen nächsten Nachfolgern manche wichtige