Full text: [Geschichte des Mittelalters] (Theil 2)

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ligion hingab, er bewies ihr dieselbe große Liebe wie seiner Mutter; we¬ 
nige Jahre vor seinem Tode starb auch sie in demselben Kloster, in dem 
sie gelebt hatte. 
„Die Erziehung seiner Kinder richtete er so ein, daß Söhne wie 
Töchter zuerst in den Wissenschaften unterrichtet wurden, auf deren Erler¬ 
nung auch er selbst seinen Fleiß verwandte. 'Dann mußten die Söhne, 
sobald es nur das Alter erlaubte, nach der Sitte der Franken reiten, sich 
in den Waffen und auf der Jagd üben, die Töchter aber sich mit Wollen¬ 
arbeit abgeben und mit Spinnrocken und Spindel beschäftigen*), damit 
sie sich nicht an Müßiggang gewöhnten, und ließ sie anleiten zu jeder guten 
Zucht. Von allen seinen Kindern verlor er nur zwei Söhne und eine 
Tochter, bevor er starb, Karl, seinen Aeltesten, und Pipin, den er zum 
König von Italien gemacht hatte, und die Hruodrud, seine erstgeborene 
Tochter, die mit dem griechischen Kaiser Konstantin verlobt war. Pipin 
hinterließ einen Sohn, Bernhard, und fünf Töchter, Adalhaid, Atnla, Gun- 
trada, Berthaid und Theoderada. An diesen bewies der König recht deut¬ 
lich seinen liebevollen Sinn, indem er nach des Sohnes Tod den Enkel 
zum Nachfolger seines Vaters machte und die Enkelinnen mit seinen eige¬ 
nen Töchtern auferziehen ließ. Den Tod seiner Söhne und seiner Töchter 
trug er überaus gelassen und mit dem hohen Sinn, der ihm eigen war; 
doch preßte ihm die herzliche Liebe, die ihn nicht minder auszeichnete, 
Thränen ans. Auch bei der Nachricht von Papst Adrian's Tod, der hoch 
in seiner Freundschaft stand, weinte er so, als hätte er seinen Sohn oder 
den theuersten Bruder verloren. Denn er hatte ein für Freundschaft äu¬ 
ßerst empfängliches Gemüth, leicht war er ihr zugänglich, unverbrüchlich 
hielt er sie fest und bewies gegen alle diejenigen heilige Treue, zu denen 
er in solch' ein Verhältniß getreten war. Um die Erziehung seiner Söhne 
und Töchter war er so besorgt, daß er zu Hause niemals ohne sie speiste, 
nie ohne sie eine Reise machte: seine Söhne ritten ihm zur Seite, seine 
Töchter aber folgten ihm im hintersten Zuge und eine Schaar von Leib¬ 
wächtern war zu ihrer Beschützung bestellt. Da sie ungemein schön waren 
und von ihm auf's Zärtlichste geliebt wurden, so ist es sehr zu verwun¬ 
dern, daß er keine von ihnen einem seiner Mannen oder einem Fremden 
zum Weibe geben wollte; aber er sagte, er könne ohne ihre Gesellschaft 
nicht leben, und behielt alle bis zu seinem Tode bei sich im Hanse. 
„Gegen das Ende seines Lebens, als er schon sehr gebeugt war durch 
Alter und Krankheit, berief er seinen Sohn Ludwig, den König von Aqui¬ 
tanien, der von den Söhnen der Hildegard noch allein am Leben war, zu 
sich und erklärte ihn in feierlicher Versammlung der Großen aus dem 
ganzen Frankenreich mit aller Beistimmung zum Mitregenten im ganzen 
Reich und zum Erben des kaiserlichen Namens, setzte ihm das Diadem 
auf das Haupt und befahl, ihn Kaiser und Augustus zu nennen. Es 
Karl's Mutter Bertha führte in der Sage den Beinamen der Spinnerin.
	        
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