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Gestützt auf die jugendliche Begeisterung der neubekehrten germanischen
Volksstämme, brachte die Priesterschaft nicht nur einen sehr 'großen Theil
des irdischen Besitzes an sich, sondern sie zog auch alle Verhältnisse, die
mit der Religion in irgend einer Beziehung standen, vor ihr geistliches
Forum und erlangte dadurch eine Macht aus das gesammte Leben und den
ganzen Gedankenkreis der mittelalterlichen Menschheit, daß die Kirche die
eigentliche Herrscherin und Gebieterin war. Der Staat, aller edleren Be-
standtheile beraubt, war ein Tummelplatz für alle bösen Triebe, der nur
durch die Weihe der Kirche der Sünde und dem Verderben entrissen werden
konnte. Die Bildung und die Wissenschaft waren ausschließlich in ihren
Händen, und die heiligen Künste, die sich in den Domkirchen vereinigten,
dienten zu ihrer Verherrlichung. Die Kreuzzüge waren ihr höchster Triumph.
Aber der Mißbrauch, den die Hierarchie von ihrer Gewalt machte, und das
sichtbare Streben, den menschlichen Geist unter der Fülle von kirchlichen
Satzungen und Cercmonialvorschriften gefangen zu nehmen, während doch
die geistlichen Würdenträger selbst oft sehr weit von dem Wege der Heilig¬
keit abirrten, brach allmählich ihre Macht und ihr Ansehen. Wohl ver¬
mochte noch das Papstthum aus seiner Höhe das ruhmreiche Kaisergeschlecht
der Hohenstaufen zu fällen; aber die Entartung der Lehnsverhältnisse, die
im Gefolge der kaiserlosen Zwischenzeit über Europa hereinbrachen, begrün¬
dete auch eine verweltlichte Gesinnung und erschütterte die Kirche in ihren
Grundfesten. Diesen Verfall des Mittelalters stellt die fünfte Periode
dar. In derselben bildet das Städteleben mit seiner Kraft und Kultur,
mit seiner Regsamkeit und Lebenslust, mit seinem Wohlstand und seiner
Freiheitsliebe den einzigen heitern Lichtblick. An den festen Mauern der
Städte zerschellte die rohe Kraft des entarteten Ritterthums; an ihrer
bürgerlichen Literatur nährte sich der Geist der kirchlichen Opposition, der
endlich, als die Kirche hartnäckig jede Selbstreinigung von sich wies, die
Reformation hervorrief; aus ihrer strebsamen Bürgerschaft gingen die
Männer hervor, welche die Buchdruckerkunst erfanden, Amerika entdeckten
und aus Italien die Werke der alten griechisch-römischen Literatur nach
Deutschland verpflanzten und sie zur Grundlage neuer, freierer Lebens¬
anschauungen machten.