Full text: [Geschichte des Mittelalters] (Theil 2)

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wohnte. Schminke und kosmetische Schönheitsmittel waren gleich gesucht 
von Männern und Frauen. Die Lüge erstreckte sich selbst auf die 
Gestalt. 
Auch auf Gewerbe, Künste, öffentliche Anstalten und Bauwerke konnte 
die Rückwirkung nicht fehlen. Den Circus umgaben goldene Gitter. Die 
Arena verwandelte sich bald in einen künstlichen Wald, Garten, See, oder 
in eine Sandwüste. Die kaiserlichen Stühle waren mit Gold und Edel¬ 
steinen geziert. Reichthum und Pracht stiegen in's Unglaubliche. Die 
Gebäude der älteren Zeit waren weniger zum Gebrauch und Nutzen des 
Privatlebens als für religiöse Zwecke, für den Glanz des Staates, für 
das öffentliche Volksleben bestimmt. Dies änderte sich mit der Zeit. 
Paläste, welche Städten glichen, was besonders von Nero's „goldenem 
Hause" gilt, Landhäuser von ungeheurem Umfang, Heerstraßen, Bäder, 
und andere zum Nutzen und Gebrauch im Leben bestimmte Gebäude wur¬ 
den mit einem Luxus und einer so übermäßigen und kunstreich ausstudirten 
Bequemlichkeitsliebe ausgesührt, wie sie nur die Genußsucht und Ueppig- 
keit einer tief verderbten Zeit hervorzurufen im Stande waren. Von dem 
Throne herab verbreitete sich das Verderbniß allmählich durch alle Schich¬ 
ten des Volkes. Religion, Sitte, Achtung und Vertrauen schwand aus 
dem öffentlichen Leben. Die Götter galten nicht mehr, seit Commodus 
und Caracalla göttliche Anbetung erhielten und die kaiserliche Würde ward 
nicht geachtet, da sie das Spielzeug roher Soldaten geworden war. 
Wir sehen die Kraft des Volkscharakters sich veräußerlichen und mehr 
und mehr in der glänzenden Außenseite aufgehen, bis der innerliche Kern 
sich völlig verflüchtigt hat, und die hohle Schale zusammenbricht, jeder 
geistigen Stütze entbehrend. Dasselbe Bild wiederholt sich in der Literatur 
dieser Zeit, mit wenig Ausnahmen. 
8. 2. Römische Literatur. 
Mit dem Zeitalter der Antonine begann in der römischen Literatur 
eine neue Epoche. Schon Hadrian hatte zu Rom ein Athenäum gestiftet, 
eine Art von Akademie, an welcher vom Staate besoldete Lehrer, Dichter 
und Rhetoren öffentliche Vorlesungen hielten. Die folgenden Kaiser woll¬ 
ten in diesen Bestrebungen nicht Zurückbleiben, sondern auf der einmal 
eingeschlagenen Bahn der öffentlichen Bildung weiter schreiten. Die Wis¬ 
senschaft, früher nur Lieblingsbeschäftigung einzelner durch Natur und Glück 
Begabter, wurde nach und nach ein zünftiges Gewerbe, wie wir uns dies 
auch aus der Verfallszeit des griechischen Volkes erinnern, und um so 
mehr, als die philosophischen Schulen, um welche es sich allerwärts 
zunächst handelte, ohnehin aus fremdem Boden nach Rom verpflanzt 
waren.
	        
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