Full text: [Geschichte des Alterthums] (Theil 1)

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pirt, mag hier zum Beschluß eine reizvolle, fast möchte ich sagen musikali¬ 
sche Schilderung des Schlafes stehen, wie sie nur Ovid erreichen konnte: 
„Nächst den Ciineriern ist die langeingehende Steinkluft 
Tief in den Berg, wo hauset der unbetriebsame Schlafgott. 
Nimmer erreicht, ausgehend ain Mittag, oder sich senkend, 
Phöbns mit Strahle» den Ort. Ein mattnmdüsternder Nebel 
Haucht vom Boden empor, und Dämmerung zweifelnden Lichtes. 
Kein wachhaltender Vogel mit purpurkammigem Antlitz 
Kräht die Aurora herauf; auch stört durch Laute die Stille 
Kein sorgfältiger Hund, noch die aufmerksamere Hofgans. 
Weder Gewild noch Vieh, noch von Luft geregete Zweige, 
Geben Geräusch, noch Rede, von menschlichen Zungen gewechselt. 
Stumm dort wohnet die Ruh'. Doch hervor am Fuße des Felsens 
Rinnt ein lethäischer Bach, durch den mit leisem Gemurmel 
Ueber die Kieselchen rauscht die sanft einschläfernde Welle. 
Rings um der Pforte Kluft sind wuchernde Blumen des Mohnes, 
Und unzählbare Kräuter, woraus sich Milch zur Betäubung 
Sammelt die Nacht, und thauig die dumpfigen Lande besprenget. 
Keine knarrende Thür auf umgedreheter Angel 
Ist in dem ganzen Haus, und keine Hut an der Schwelle. 
Tief im Gemach ist ein Lager, erhöht auf des Ebenus Schwärze 
Dunsend von bräunlichem Flaum, und mit bräunlicher Hülle bedecket: 
Wo sich der Gott ausdehnet, gelös't von Ermattung die Glieder. 
Rings um jenen zerstreut in vielfach gaukelnder Bildung, 
Liegen die luftigen Träume, so viel als Aehren das Kornfeld, 
Als Laub trüget der Wald, und gespületen Sand das Gestade." 
Die elegische Poesie der Römer hat einen ernsten, schwermüthigen 
Charakter und ist oft hart und ungelenk, wie überhaupt die Lyrik gleich 
dem Drama nur einen weniger heimischen Boden in Rom fand. Doch 
hat Catullus. ein in der Blnthe der Jahre dahingerafster Dichter, Ele¬ 
gien von mächtigem Schwünge und glühender Leidenschaft hinterlassen, wie 
aus folgender Ode an seine Geliebte, Lesbia, hervorgeht: 
Jener scheint mir einem der Götter ähnlich, 
Jener, darf ich sagen es, über Göttern, 
Der Dich, gegenüber Dir sitzend, immer 
Schauet und höret, 
Wie Du lachst, Holdselige, was mir Armen 
Alle Sinn' entrückt: denn sobald ich dich nur 
Angeschaut, o Lesbia, fehlt das Wort mir, 
Fehlet die Sprache. 
Doch fehlte es dem Catullus auch nicht an derbem Witze und dem bitter¬ 
sten Humor, und seine Dichtungen voll frischen Lebens und hinreißender 
Leidenschaft gehören zu dem Besten, was die römische Poesie hervorge¬ 
bracht hat. Cs ist zu beklagen, daß uns nur wenige Reste erhalten wor¬ 
den sind.
	        
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