Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

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91. Die conftituivenbe National-Versammlung. 
that, indem er mehrere von den Jacobinern beantragte Decrete ver¬ 
hinderte und auf eine Reaction hinarbeitete. Aber aufgerieben durch 
alles, was menschliche Kräfte erschöpfen kann, Anstrengung, Aufregung, 
Genuß, starb er nach kurzer Krankheit am 4. April 1791. Die letzte 
Möglichkeit, auf dem Boden des 4. August eine feste Regierung und 
gesetzliche Ordnung zu errichten, war mit seinem Hinscheiden vorüber, 
der erste Abschnitt der Revolution geschlossen. 
Der König, welcher von dem Wunsche nach Krieg weit entfernt 
war, hoffte durch bloße Einschüchterung seiner Gegner, wenn von allen 
Seiten her fremde Truppen an die Grenzen vorrückten und dann alle 
Parteien ihn um Vermittlung angehen würden, seine Stellung wesentlich 
zu verbessern. Er trat, gleich nach Mirabcau's Tode, in Verbindung 
mit seinem Schwager, Kaiser Leopold II., der an der belgischen Grenze 
10,000 Mann zu Ludwig's XVI. Schutze bereit zu halten versprach, 
so sehr er auch die möglichen Folgen des Mißlingens einer Flucht be¬ 
fürchtete. In der Nacht vom 19. auf den 20. Juni entfloh die könig¬ 
liche Familie aus Paris und kam bis St. Menehould, hier aber wurde 
der König von dem Postmeister Drouet erkannt, welcher nach Varenncs 
vorauseilte und seine Entdeckung mittheilte. Der königliche Reisewagen 
wurde angehalten und unter der Aufsicht ihm entgegengesandter Abge¬ 
ordneter nach Paris zurückgeführt. Die Flucht des Königs galt Vielen 
als Abdankung, der Club der Cordeliers, in welchem Danton herrschte, 
drang schon jetzt auf Abschaffung des Königthums und Erklärung der 
Republik. Allein die Mehrheit der National-Versammlung schlug einen 
Mittlern Weg ein, indem sie den Antrag, Ludwig sollte einstweilen 
suspendirt bleiben, bis er die Verfassung angenommen habe, genehmigte 
(15. Juni). Diese sollte einer Revision unterworfen werden, doch 
erlitt sie keine wesentliche Aenderung, am wenigsten zu Gunsten des 
Thrones, denn Robespierre setzte noch die Abschaffung des Census 
(von 55 Francs Steuern) für die Abgeordneten durch. Die neue 
Verfassung wurde (14. Sept.) dem Könige vorgelegt, mit der Erklä¬ 
rung, daß er mit der Annahme wieder in die verfassungsmäßigen Re¬ 
gierungsrechte eintreten, in der Ablehnung aber zugleich seine Thron¬ 
entsagung liegen sollte. Auf den Rath der Königin, die ihres Bruders 
Abneigung gegen fremde Einmischung und seine Sorge vor einer neuen 
Katastrophe in Frankreich selbst theilte, nahm Ludwig die Verfassung 
an (16. September), indem er hoffte, die innere Unhaltbarkeit der¬ 
selben würde durch den Versuch, mit derselben zu regieren, der öffent¬ 
lichen Meinung einleuchtend werden. Andererseits hofften die Jacobiner, 
die fortwährenden Gährungsstoffe im Innern zum Sturze des Thrones 
zu benutzen.
	        
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