Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

11. Karl's V. Wahl und Wahlkapitulation. 51 
Als die Kurfürsten in Frankfurt zusammenkamen, hatte König Franz 
bereits keine Aussicht mehr. Nur der andre Wunsch tauchte noch ein¬ 
mal auf, einen wahrhaft einheimischen Kaiser zu haben. Man dachte 
an Kurfürst Joachim von Brandenburg; aber seine eigenen Verwandten, 
vor allem sein Bruder von Mainz waren gegen ihn: sie fanden, die 
Behauptung der kaiserlichen Würde mache Anstrengungen und besonders 
Kosten nöthig, welche die Kraft der Mark und ihrer ganzen Familie 
aufreiben würden; Joachim würde niemals die hinreichende Stimmen¬ 
anzahl gehabt haben. Bei weitem wichtiger war es, daß sich die Blicke 
der Versammelten aus Kurfürst Friedrich von Sachsen wendeten. Aber 
er kannte die Geschäfte des Reiches zu lange und zu gut, um nicht zu 
wissen, daß das Uebergewicht der Macht dazu gehöre, um diese stolzen, 
kräftigen, zur Unabhängigkeit emporstrebenden Fürsten und Stände in 
Einheit und Unterordnung zusammenzuhalten. Er erklärte sich öffentlich 
für König Karl. Seine Stimme brachte auch die zum Entschluß, 
die bisher noch schwankend gewesen waren. 
Am 28. Juni versammelten sich die Kurfürsten in ihren scharlachnen 
Amtskleidern, in jener engen, kleinen, Halbdunkeln Kapelle am Chor der 
Bartholomäuskirche, die ihnen zum Conclave diente. Schon waren sie 
alle einmüthig. Mainz fragte, wie das Herkommen gebot, zuerst Trier: 
Trier erwählte den Erzherzog Karl von Oesterreich, Prinzen von Bur¬ 
gund, König von Spanien. So wählten sie alle; der König von Frank¬ 
reich hatte keine Stimme. 
Jedoch dachten die Kurfürsten darauf, einem so mächtigen Fürsten, 
wie sie wählten, gegenüber, zugleich auch die Rechte des Reiches wahr- 
zunchmeu. Sie legten dem erwählten römischen König eine ziemlich 
strenge Capitulation vor. Man bestimmte darin, daß die Aemter nur 
mit Deutschen besetzt, die Verhandlungen nur in deutscher Sprache ge¬ 
führt, die Versammlungen des Reiches nur innerhalb der Grenzen 
der deutschen Nation gehalten werden sollten. Und hierbei vergaßen 
denn die Kurfürsten auch ihre eigenen Rechte nicht. Sie sollten zum 
Reichsregiment gezogen, ohne ihre Einwilligung kein Krieg angefangeu, 
kein Bünduiß geschlossen, kein Reichstag angekündigt, geschweige denn 
eine Steuer ausgeschrieben werden; was mit Rath und Hülfe der 
Stände im Kriege gewonnen werde, sollte auch immer dem Reiche 
verbleiben. 
Die Fürsten wählten sich allerdings ein mächtiges Oberhaupt. Aber 
unter einem Fürsten wie dieser, der in so- vielen Ländern zu gebieten 
hatte, dem so viele Kriege bevorstanden, konnten sie am ersten zu jener 
ständischen Verfassung, zu der Teilnahme au den Reichsgeschäften ge¬ 
langen, nach der sie unter Maximilian schon immer getrachtet hatten. 
Sonderbare Mischung der verschiedenartigsten Beweggründe, die zu 
der Wahl Karl's V. zusammenwirkten! Es ist nicht zu leugnen: 
Geldzahlungen in reichem Maße, wie an die Fürsten, so an ihre An¬ 
gehörigen und Räthe, Erwerbung neuer Gerechtsame, verwandtschaftliche 
Verbindungen, nähere oder entferntere, die entweder schon bestanden, 
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