73. Die beiden ersten Perserkricge (gegen Darius I.).
277
daß der Geist über die Masse einen glänzenden Sieg feiern werde.
Nach dem Falle von Milet hatte er den Chersones verlassen und sich
nach Athen begeben, wo er in dem größten Ansehen stand und seinen
Einfluß darauf verwendete, daß jetzt alles zu den Waffen griff. Ihm
zur Seite standen zwei jüngere Männer, Aristides und Themisto-
kles, beide an Jahren fast gleich, an Charakter aber verschieden, jedoch
gleich stark ergriffen von der Liebe zu ihrem Vaterlande. Diesen Män¬
nern gaben ihre Amtsgenossen wenigstens so viel nach, daß man bei
Marathon dem Feinde gegenüber eine feste Stellung einnahm. Allein
eine so überlegene Macht anzugreifen, worauf Miltiades zuerst antrug,
fand man sehr bedenklich, zumal da die spartanische Hülfe ansgeblieben
war. Weil nun die Meinungen gleich getheilt waren, so mußte dem
Gesetze gemäß der Polemarch Kallimachus den entscheidenden Ausschlag
geben. Ihn wußte Miltiades für seine Ansicht zu gewinnen, und so
ward beschlossen, dem Feinde eine Schlacht zu liefern. Einen bestimm¬
ten Oberanführer hatte man nicht, sondern der Feldherr einer Phyle
übernahm allemal auf einen Tag die Oberanführung und wechselte so
mit seinen übrigen Collegen. Aristides trat nun mit rühmlicher Be¬
scheidenheit an seinem Tage den Oberbefehl an Miltiades ab, und sei¬
nem Beispiele folgten auch die anderen Feldherren. Doch erst an dem
Tage, an welchem die höchste Leitung dem Miltiades der Ordnung nach
zukam, gab er das Zeichen zur Schlacht. Die Perser durchbrachen die
von Miltiades absichtlich schwächer eingerichtete Mitte der griechischen
Schlachtordnung, wo Aristides und Themistokles mit ihren Phylen strit¬
ten; auf beiden Flügeln aber wichen die Perser bald und stürzten in
wilder Flucht zu ihre» Schiffen. Sogleich wandten sich die griechischen
Schwerter nach der Mitte gegen den Kern des feindlichen Heeres, und
unter ergrimmten Schlägen erlag hier, was bisher noch gestanden hatte.
Der muthige Haufe der Athener und Platäer verfolgte den fliehenden
Feind bis zum Meeresstrande und plünderte das ganze Lager, welches
die Perser mit allen darin aufbewahrten Schätzen im Stiche lassen
mußten. Die Freude über den errungenen Sieg war bei den Athenern
so groß, daß ein Krieger, der vom Heere abgeschickt war, um diese frohe
Botschaft der Stadt zu verkünden, nur die Worte auf dem Markte
ausrief: „Xalgne, xaíQo¡.av\i’- und todt zur Erde stürzte. Indessen hat¬
ten die Perser noch nicht alle Hoffnung aufgegebcn. Sie umsegelten
schnell das Vorgebirge Sunium und dachten Athen zu überrumpeln, che
dessen Krieger dahin zurückkehren konnten. Diese Absicht hatten die
Athener zeitig genug wahrgenommen, waren nach der Stadt geeilt und
erwarteten schlagfertig die Perser im Hafen von Piräus. Sobald die
Perser dies merkten, nahmen sie, ohne einen weitern Versuch zu machen,
den Rückzug nach der kleinasiatischen Küste und eilten beschämt in ihre
Heimat zurück. So war auch der zweite Versuch, Griechenlands Frei¬
heit und Unabhängigkeit zu untergraben, den Persern völlig mißlungen.
Der Name Miltiades aber war Kindern und Greisen eine Losung der
Freude; das Volk empfing den Sieger mit Jubelliedern als seinen