326
IX. Die Griechen.
85. Oligarchie in Äthen und Rückkehr des Alcibiades.
(Nach Wilh. Bischer, Allibiades und Lysandros.)
Seit dem sicilischen Mißgeschicke war in Athen ein bedeutendes
Hinneigen zu einer Modificirung der Demokratie sichtbar, besonders
wünschte im Heere in Samos ein großer Theil der Führer eine Oli¬
garchie. Alcibiades, der sein früheres Unglück zum großen Theil der
Demokratie zuschrieb und durch eine Verfassungsveränderung namentlich
einen seiner Hauptgegncr, den Demagogen Androkles, zu entfernen hoffte,
sprach nun seine Bereitwilligkeit aus, wieder zurückzukehren, und ver¬
sprach, den persischen Satrapen Tissaphcrncs auf die Seite von Athen
zu bringen, wenn eine Oligarchie eingeführt werde. Die oligarchisch
gesinnten Männer gingen gerne darauf ein, die sehr triftigen Einwen¬
dungen des Feldherrn Phrynichus wurden nicht beachtet, die Masse ließ
sich durch Hoffnung auf eine glückliche Wendung des Kriegs bethören,
und alle Einleitungen zu einer Umwälzung wurden getroffen. Als aber
die Versprechungen der persischen Hülfe durch des Tissapherncs verän¬
derte Stimmung sich bald als nichtig zeigten und ein Zerwürfniß zwi¬
schen Alcibiades und den Oligarchen eintrat, da gaben diese, die bereits
zu weit gegangen waren, um sicher zurücktreten zu können, ihre Pläne
doch nicht auf, sondern machten eine Revolution, ohne dadurch für Athen
irgend einen äußeren Vortheil zu gewinnen. Aber das Heer in Sa¬
mos erklärte sich für die Demokratie, constituirte sich selbst als souve¬
ränes Volk, rief den Alcibiades zurück und ernannte ihn zum Feldherrn.
Er benutzte seine neue Stellung sofort aufs löblichste, hielt das Heer
ab, wie es im ersten Jngrimme beabsichtigte, gegen Athen zu ziehen,
und rettete dadurch den Staat von unvermeidlichemUntergang; er for¬
derte auch von den Oligarchen keineswegs vollständige Herstellung der
unumschränkten Demokratie, sondern nur Abschaffung des verhaßten
neuen Rathes, und mahnte dringend beide Theile, dem äußeren Feinde
sich unverzagt entgegen zu stellen; sei man einmal gegen den gesichert,
so werde sich wohl die Eintracht im Innern wieder geben. Mit eineni
Worte, er bewies jetzt solche Besonnenheit und so kluge Fürsorge für
das Wohl des Staates, daß man darüber fast vergißt, wie er zumeist
das Unglück herbeigeführt hatte, ans dem er ihn jetzt zu retten bestrebt
ist. Ueberhaupt beginnt jetzt der schönste Theil seiner Laufbahn, so
schön, daß, wenn er nichts Anderes gethan hätte, wir ihn zu den treff¬
lichsten Bürgern rechnen müßten. Die Schule des Unglücks hatte ihn
geläutert.
In Athen hatte, wie er es wünschte, die Oligarchie nach kaum
viermonatlicher Dauer einer gemäßigten Demokratie Platz gemacht. Eine
der ersten Handlungen dieser war die Zurückberufnng des Alci¬
biades, der nun, an der Spitze der athenischen Streitkräfte, Talente
entwickelt, die ihm einen Platz unter den Feldherren des ersten Ranges
anweisen. Die Liebe und das Zutrauen seiner Leute gewinnt er im