91. Der Korinthische Krieg.
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einer unermeßlichen Beute kam in die Hände der Spartaner; und der
Umsturz der persischen Herrschaft in Klein-Asien war vorauszusehen,
hätte sich Agesilaus nicht mit dem neuen Satrapen Tithraustes in
Unterhandlungen eingelassen. Dieser, vom Hofe zu Susa beauftragt,
den Kops des Tissaphernes nach morgenländischer Sitte einzusenden und
die Satrapie desselben zu übernehmen, knüpfte sogleich mit dem Könige
Unterhandlungen an und brachte es durch sein gewandtes und verschla¬
genes Benehmen dahin, daß Agesilaus gegen Empfang von 30 Talenten
sein Heer gegen Pharnabazus wendete. In der Gegend von Kyme
erhielt der König von Sparta die Nachricht, daß ihm auch der Ober¬
befehl über die ,Zlotte übertragen sei. Er traf sofort die nöthigen An¬
stalten, eine ansehnliche Flotte auszurüsten und überwies sie dann seinen!
Schwager Pisander, einem zwar muthigen und ehrliebenden, aber
des Seewesens völlig unkundigen Manne. Er selbst rückte noch im
Spätsommer mit seinem Landheere in das Gebiet des Pharnabazus
und nahm sogar Dascylium, die gewöhnliche Residenz des Statthalters.
Als nun Pharnabazus wohl einsah, daß der spartanische Held mit der
Gewalt der Waffen nicht zu besiegen sei, so wollte der geschmeidige
Höfling doch wenigstens die List der Unterhandlung versuchen. Und
wirklich spielte der Asiate so geschickt seine Rolle, daß er von dem treu¬
herzigen Spartaner die Zusicherung erhielt, sein Gebiet so lange, als
er anderswo noch Feinde fände, unangetastet zu lassen.
Schon schickte sich Agesilaus an, die Waffen wider Tithraustes zu
kehren, als er plötzlich von seiner siegreichen Laufbahn zur Vertheidi-
gung seines Vaterlandes zurückberufen wurde. Denn Tithraustes hatte
durch heimliche Bestechungen und treulose Aufwiegelungen mehrere grie¬
chische Staaten, welche an und für sich mit Sparta's drückender
Hegemonie schon längst unzufrieden waren, zu einem Wasfenbunde
gegen Sparta zu vereinigen gewußt.
91. Der Korinthische Krieg.
(Nach G. N. Sievers, Geschichte Griechenlands vom Ende des peloponnesischcn
Krieges bis zur Schlacht bei Mantinea.)
Mit weiser Umsicht hatte der große Perikles den Grundsatz geltend
gemacht, daß Athen sich nicht in weite gefährliche Unternehmungen ein¬
lassen, daß cs seine Kräfte Zusammenhalten und vor Allem seine Stel¬
lung zu den Staaten des Mutterlandes sichern müsse. Die Abweichung
von diesem Grundsätze hatte den Athenern ihre Herrschaft und ihre Frei¬
heit gekostet. Als nun die Lacedämonier dadurch, daß sie den Kampf
gegen Persien begannen, dieses auch auf ihre Verhältnisse anzuwendende
System übertreten hatten, büßten sie freilich nicht so schwer wie die
Athener, da sie, besonnener als diese, nicht ihre ganze Macht aus das
Spiel setzten, erlitten jedoch nicht unbedeutende Verluste, und stürzten