Full text: Die Geschichte des Alterthums (Bd. 1)

96. Zunehmender Verfall Griechenlands bis zur macedonischen Herrschaft. 365 
auflös'te. Die alte geheiligte Versammlung der Amphictyonen, welcher 
Hellas' Glück und Heil anvertraut war, ließ sich jetzt zu den gemeiustcu 
Zwecken mißbrauchen. Die Thebaner machten sie zum Mittel der Be¬ 
friedigung ihres unversöhnlichen Hasses gegen Sparta. Auf ihren Be¬ 
trieb wurden die Lacedämouier wegen Phoebidas längst veralteter und 
sattsam gerächter Besitznah,ne der Kadmea von den Amphictyonen zu 
einer schweren Geldstrafe verdammt. Ein gleiches Schicksal traf die 
Phocier wegen Anbaues eines Stückes Land, welches dem delphischen 
Gotte geweiht war. Als nun diese die auferlegte Strafsnmme nicht 
zahlen konnten, und man schon Willens war, ihr Gebiet in Besitz zu 
nehmen, um den beleidigten Gott zu versöhnen, trat Philomclus auf 
und ermahnte seine Mitbürger, sich dem ungerechten Ausspruch der 
Amphictyonen nicht zu fügen, oder feig, wegen so geringen Vergehens, 
den vaterländischen Boden anfzugeben. Vielmehr sei es Zeit, ein altes 
Recht mit den Waffen geltend zu machen, nach welchem den Phocicrn 
der Schutz und die Vorsteherschaft des delphischen Heiligthums gebühre. 
Hierauf trat er, zum Feldherrn erwählt, mit den Lacedämonicrn in 
Verbindung, warb, von ihnen zunächst mit Geld unterstützt, Truppen, 
und bemächtigte sich gewaltsam des delphischen Tempclschatzes. 
In ganz Hellas erregte der Frevel Bestürzung und Unwillen. Die 
Lokrer, welche es unternehmen wollten, allein die Schmach zu rächen, 
unterlagen beim ersten Angriffe. Schnell vermehrte Philomelus seine 
Macht bis auf 5000 Mann und befestigte den Tempel. Durch einen 
erzwungenen Ausspruch der Pythia und das Zureden des Philomelus 
traten die Athener und Lacedämonier auf die Seite der Phocier, wäh¬ 
rend die Böotier, Lokrer, Thessaler, Achäer und die ihnen benachbarten 
Völkerschaften vereint das Heiligthum befreien wollten. Philomelus er¬ 
rang Anfangs im Gebiete der Lokrer einige bedeutende Vortheile, fand 
aber schon im dritten Jahre des Krieges nach einem unglücklichen Tref¬ 
fen bei der Stadt Neon (später Tithorea) seinen Tod. 
Sein Nachfolger Onomarchus, welcher die entmuthigten Phocier 
zur Fortsetzung des Krieges ermunterte, war.zwar Anfangs nicht we¬ 
niger glücklich, verheerte Lokris, das Gebiet der Dorier, drang in Bö- 
otien ein, eroberte Orchomenus, später noch Koronea, und trat selbst 
Philipp von Macedonien, welcher den Thessalern Hülfsvölker zugeschickt 
hatte, mit Glück entgegen, unterlag aber endlich der Uebermacht des 
Macedoniers und fand selbst einen schimpflichen Untergang*). Dennoch 
setzte sein Bruder, Phayllus, zum Feldherrn erwählt und von den 
Truppen der Bundesgenossen und thessalischen Hülfsvölker unterstützt, 
den Krieg mit gleicher Heftigkeit fort. Unter ihm wurden die Phocier 
in Böotien in kurzer Zeit drei Mal geschlagen und würden vielleicht 
gänzlich vernichtet worden sein, wenn nicht die Athener für jetzt noch 
*) Diodor XVI, 31—35. Nach Diodor ließ ihn Philipp ans Kreuz schlagen; 
nach Pausanias, welcher überhaupt in der Erzählung etwas abweicht, wurde 
er von seinen eigenen Soldaten ans der Flucht ermordet. Phoc. II. 2.
	        
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