133. Die neue Verfassung.
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scheint nicht unglaublich; die griechischen Tyrannen, die auch hierin eine
Parallele zu dem jüngern Tarqninius bilden, haben in der gleichen Lage
nicht selten das Gleiche gethan. Daß ferner diese Wiederherstellungs-
Versuche gescheitert sind, sieht man an dem Erfolg. Aber der nähere
Thatbestand und der Verlauf jener Kämpfe ist von der Volkssage in
ein solches Gewinde von Dichtung gehüllt und so gänzlich entstellt in
der Tradition sortgepflanzt worden, daß kaum die flüchtigsten Umrisse
der gemeinen Ueberlieferung als geschichtlich gelten können. Es gilt
dies vorzüglich vom Krieg des Porsenna, an welchem sich die Verfäl¬
schung des wirklichen Hergangs noch Nachweisen läßt. Nach der gemei¬
nen Tradition zieht der etruskische König, vom Heldenmuth der Römer
gerührt und geschreckt, freiwillig von Rom ab, als die Stadt schon dem
Untergange nahe ist. Die einzige Friedensbcdingung, die er den Rö¬
mern auferlcgt, ist die Herausgabe der vejentischen sieben Gaue und
die Stellung von Geißeln; und auch diese Geißeln gibt er ihnen sammt
der vejentischen Flur das Jahr darauf aus Freundschaft wieder zurück.
So die Sage. Nun hat sich aber neben der gemeinen Tradition die
historische Kunde vom wirklichen Hergang erhalten. Wir erfahren näm¬
lich aus Tacitus, daß sich Nom dem etruskischen König hat ergeben
müssen; und nach einer von dem ältern Plinius aufbewahrten Nachricht
hat Porsenna den überwundenen Römern die drückende Friedensbedin¬
gung auferlegt, daß sie kein Eisen sollten besitzen dürfen, außer zum
Ackerbau. Hierin liegt, daß Porsenna die Römer zu vollständiger Ent¬
waffnung gezwungen hat. Rom hat also damals einen schimpflichen
Frieden unter sehr erniedrigenden Bedingungen mit dem etruskischen
König abschließen müssen.
133. Die neue Verfassung.
(Nach Wilhelm Adolph Becker, Handbuch der römischen Alterthnmcr, zum
Theil bearbeitet vom Herausgeber.)
Das Wesentliche der neuen Verfassung war, daß die bisher in der
Person des Königs auf dessen Lebensdauer vereinigten Gewalten getheilt
und in bürgerlicher und militärischer Beziehung wechselnden und darum
verantwortlichen Magistraten übertragen wurde, welche das Volk selbst
durch Stimmenmehrheit wählte. Der König war zugleich aber priester-
liches Oberhaupt gewesen, und als solchem hatte ihm die Verrichtung
gewisser heiliger Handlungen obgelegen. Die Unveränderlichkeit der re¬
ligiösen Satzungen gestattete nicht, daß deren fernere Uebung durch einen
Anderen als wiederum durch einen König geschehe, und so wurde für
diese priesterlichen Functionen eine besondere Priesterwürde geschaffen,
ein Opferkönig Uex sueroruva (^aeritieiorum, suoritieulus). So blieb
für diesen besonderen Zweck der königliche Name, aber ohne alle Be¬
deutung für die bürgerliche Verfassung; ja, um zu verhindern, daß an
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