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Weitere Verbreitung der neuen Lehre. Luther in Werms.
gestimmt. Der päpstliche Nuntius war unterwegs, obschon er in des
Kaisers eigenem Gefolge reis'te, kaum seines Lebens sicher, und mußte sich
oft mit einer armseligen und unreinlichen Herberge begnügen, weil ihn
Niemand aufnehmen wollte. .In Worms sah er noch mehr, wie alles
Volk und der Adel für Luther eingenommen war. Schriften, Lieder und
Bilder, welche des Papstes Ansehn verspotteten, waren überall verbreitet.
Luther dagegen ward hoch erhoben, selbst in Gegenwart des Kaisers.
Auf dem Reichstage hielt Alexander eine drei Stunden lange Rede, in
welcher er aus Luther's Schriften zu beweisen suchte, daß derselbe ein
arger Ketzer sei, und zu den strengsten Maßregeln gegen ihn aufforderte.
Allein der Kurfürst von Sachsen trug darauf an, Luther erst selbst zu
hören, ob er auch die angeführten Schriften als die feinigen anerkenne,
und der Kaiser und die Fürsten pflichteten ihm bei. Obschon nun der
Kardinal dagegen redete und vorbrachte, was der Papst bereits entschieden,
dürfe nicht nochmals untersucht werden; so wurde Luther doch vorgeladen,
und der Kurfürst von Sachsen erwirkte ihm das sichere kaiserliche Geleit.
Die Seele Luther's hatte schon solchen Glaubensmuth bekommen, daß
er seinen Freunden, die ihm von der Reise nach Worms abriethen und
an Hussens Schicksal erinnerten, antwortete: „Und wenn in Worms soviel
Teufel wären, als Ziegel auf den Dächern, so wollt' ich doch hin."
Seine Reise dahin glich einem Triumphzuge. Ueberall drängte sich das
Volk hinzu, den kühnen Mann zu sehen. Unterwegs dichtete er das
herrliche Lied: Ein' feste Burg ist unser Gott; am 16. April 1521
kam er in Worms an und ward gleich den folgenden Tag in die Reichs¬
versammlung geführt. Der Glanz der Großen der Erde schreckte ihn
nicht; er behauptete mit unerschüttertem Muthe seine Lehre. Alle Ver¬
suche, ihn zum Widerruf derselben zu bewegen, scheiterten an seiner Stand¬
haftigkeit. Der Kaiser dagegen erklärte den deutschen Fürsten, daß er
entschlossen sei, alle seine Reiche, Länder, Freunde, Leib und Blut und
selbst das Leben dahin zu verwenden, daß dieses gottlose Unternehmen
keinen weiteren Fortgang haben könne, indem es sonst' ihm und der deut¬
schen Nation zur ewigen Schande gereichen werde. Seine Vorfahren,
die christlichen deutschen Kaiser, die katholischen Könige von Spanien und
die Herzoge von Oestreich und Burgund seien sämmtlich bis auf den
letzten Augenblick der römischen Kirche getreu geblieben, sie hätten ihm
die katholische Lehre und Kirchenverfassung gleichsam erblich hinterlassen,
nach welcher er bis dahin gelebt habe und auch zu sterben gedenke. Er
wolle demnach Luther keineswegs mehr hören, sondern ihn wieder entlassen