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nannte ihn MoseS oder den aus dem Wasser Geretteten, und ließ ihn
am Hofe unter ihren Augen in der Bilderschrift, in der Geheimlehre
der Priester und sämmtlichen Wissenschaften unterrichten, so daß er in
alle Weisheit der ägyptischen Gelehrten eingeweiht wurde, und, den
Weisen und Zauberern des Pharao an Talent überlegen, sie später
bei Ausführung seines großen Werks mit ihren eigenen Waffen schlagen
konnte. Mit angestrengtem Fleiße drang er in die Geheimnisse der
Religion, Naturkunde und Negierungskunst ein, so daß er bald seine
Lehrer übertraf. Außerdem zeigte er frühe die vollendetste Klugheit
und einen außerordentlichen Muth, so daß er bis zum 40sten Jahre
bei dem Pharao des Landes in großer Gunst stand. Allein diese verlor
er bald darauf. Die Noth seiner Landsleute, ihre harte Bedrückung
rührte ihn tief und sein tiefes Gefühl weckte den Gedanken in ihm, der
Befreier seines Volkes zn werden, wozu er Kraft genug in sich fühlte,
da er im ägyptischen Heere auch Gelegenheit gehabt hatte, sich Kriegs¬
erfahrung zu erwerben. Der Glanz des Hofes blendete ihn nicht so
sehr, daß er sich nicht eine seiner Person würdigere Aufgabe gesetzt
hätte. Mehrere Vorfallenheiten beschleunigten die Ausführung seines
großen Planes. Als er einst ausgieng, um sich von dem Zustande
seiner Landsleute mit eigenen Augen zu überzeugen und mit tiefem
Unwillen es ansehen mußte, wie ein Vogt in der unbarmherzigen
Behandlung derselben so weit gieng, daß er einen derselben tödtete,
so wurde das Gefühl der Rache so bei ihm gesteigert, daß er den
Unmenschen angriff und ihn ebenfalls erschlug, nachdem er sich
vorher recht umgesehen hatte, ob kein Zeuge in der Nähe sey, und
ihn darauf in den Sand verscharrte. Doch blieb diese That nicht
unbekannt. Als einst zwei Hebräer sich zankten und Moses dem, der
Unrecht hatte, Vorstellungen deshalb machte, so fragte dieser ihn barsch,
wer denn ihn zum Richter und Herrn über sie gesetzt habe? ob er es
ihm eben so machen wolle, wie dem Aegyptier? Moses, sich sehr ver¬
wundernd, wie die Sache, so still und verborgen abgemacht, zur
öffentlichen Kunde habe gelangen können, gerieth in große Furcht. Ja
das Gerücht war bis vor die Ohren des Pharao gekommen; Moses
sah sich genöthigt, den Hof heimlich zu verlassen, um der drohenden
Ahndung seiner Handlung auszuweichen, und floh in die arabische
Wüste, in ein Land, zwischen dem rothen Meere und dem Berge
Horeb gelegen, wo ein Zweig der Midianiter wohnte, denen ein ehr¬
würdiger Alter, Reguel, als Priester und Beherrscher vorstand. Mit
diesem wurde Moses durch einen Vorfall bekannt, wobei er sein recht¬
liches Gefühl und seinen Muth gezeigt hatte. Die sieben Töchter seines