fullscreen: Geschichte der Neuzeit seit 1648 (Teil 3)

Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst. 43 
Stelle der edlen Ruhe und maßvollen Schönheit trat gewaltsame Über- 
treibung der Formen, eine Überbürdung der Dekoration; es entwickelte 
sich der Barockstil, der bald immer mehr entartete, alle festen Formen 
auflöste und besonders an den Innenwänden, Gesimsen, Treppen, Möbeln 
und Geräten mit Muschelformen, -^-förmigen Linien und Blumen- 
gewindelt ein willkürliches Spiel trieb. Dieser Rokokostil erlangte erst 
unter Ludwig XV. seine höchste Blüte und auch außerhalb Frankreichs 
die unbedingte Herrschaft. (Fig. 1 u. 2.) Nachahmungen des berühmten 
Parks von Versailles mit seinen steifen, zugestutzten und unnatürlichen 
Laubgängen, seinen Bildsäulen und Springbrunnen finden sich in Deutsch¬ 
land (Sanssouci, Herrenhausen, Schönbrunn) noch heute. 
Unter Ludwig XIV., den die Franzosen „den Großen" nennen, er- 
langte die französische Sprache jene Gewandtheit und Klarheit, welche 
sie zur Weltsprache erhoben, und die Dichtkunst erlebte ihr goldenes 
Zeitalter. Corneille und Racine schufen vorzügliche Trauerspiele (Cid, Die 
Horatier; Iphigenie in Aulis, Athalie), Moliere zahlreiche Lustspiele (Der 
Geizhals, Der Scheinheilige, Der Menschenfeind), La Fontaine anmutige 
Fabeln, und Fenelon lieferte in seinem „Telemach" einen Fürstenspiegel. 
§ 8. Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst. 
1. Seine Jugend und ersten Hlegiernngshandl'ungen. 
a. Seine Jugend. Friedrich Wilhelm, der einzige Sohn Georg 
Wilhelms, war 1620 aus dem Schlosse zu Köln an der Spree geboren. 
Schon seine Wiege war mit Kriegslärm umgeben; der Sicherheit wegen 
mußte der Prinz einen Teil seiner Jugendjahre in der Festung Küstrin 
zubringen. Einen tiefen Eindruck machte es auf ihn, als er der Leiche 
Gustav Adolfs, den er erst vor einem Jahre in der Fülle der Gesund¬ 
heit und Macht gesehen, das Geleit zur Ostseeküste gab. Von edlen 
Männern still erzogen, aber durch den Ernst der Zeit über seine Jahre 
hinaus gereift, ward der Kurprinz 1634 nach Holland auf die Unitier- 
sität Lehden gesandt, und sein vierjähriger Aufenthalt daselbst sollte für 
sein ganzes Leben von entscheidender Bedeutung werden; denn nicht nur 
erweiterte er dort in fleißiger Arbeit feine Kenntnisse und stärkte in der 
Verführung des üppigen Hoflebens im Haag seine Willenskraft, sondern 
er fand auch für seine zukünftige Wirksamkeit als Landesvater und als 
Feldherr die besten Vorbilder. Schon siebzig Jahre leistete das kleine 
Holland dem damals noch großen und mächtigen spanischen Reiche er¬ 
folgreichen Widerstand, und Friedrich Wilhelm konnte sein Feld Herrntalent 
in dem Feldlager Heinrichs von Oranien aufs beste entwickeln; 
Handel und Gewerbe, Acker- und Gartenbau standen in Blüte, während 
damals in Deutschland alles daniederlag; die berühmte Universität Lehden
	        
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