44. Aus der Zeit der Erniedrigung Preußens.
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als die glücklichste Periode ihrer Stadt, und den Kurfürsten Friedrich
Karl Joseph nannten sie den „Vater des Vaterlandes" und errichteten
ihm einen steinernen Obelisken. Nach dem im Juli 1802 erfolgten
Tode des Kurfürsten wurde Dalberg sein Nachfolger. Ihn traf das
tragische Geschick, daß die Stadt, in der er dreißig Jahre, getragen
von der begeisterten Verehrung der Bürgerschaft, gelebt und gewirkt
hatte, in dem Augenblicke ihm entrissen ward, als er ihr Landesherr
wurde. Am 9. August verabschiedete er sich von den kurfürstlichen
Beamten der Stadt; am 21. August zogen preußische Truppen feierlich
in Thüringens alte Hauptstadt ein und nahmen sie für Friedrich
Wilhelm III. in Besitz. Gouverneur der Stadt wurde Graf v. Wartens-
leben, der später wegen der schmählichen Kapitulation der Festung
Magdeburg, wohin er sich nach der Schlacht bei Jena geflüchtet hatte,
31t lebenslänglicher Festungshaft verurteilt wurde.
Die neu erworbenen Landesteile mit Ausschluß Quedlinburgs,
also Erfurt, das Eichsfeld, die Städte Nordhausen und Mühlhausen
und die Grafschaft Hohenstein, wurden zu einem eigenen Verwaltung?-
bezirk vereinigt. Der Sitz der obersten Landesbehörde wurde jedoch
nicht Erfurt, sondern Heiligenstadt; unter dem Namen „Kriegs- und
Domänenkammer" begann sie am 1. November 1803 hier ihre Tätig¬
keit. Justiz und Verwaltung waren bei ihr, im Gegensatz zu früher,
getrennt; durch Einführung des preußischen Landrechts wurden die
vielgestaltigen alten Gesetze und Rechte aufgehoben. 1804 wurde die
oberste Justizbehörde von Heiligenstadt nach Erfurt zurückverlegt.
Zum Präsidenten der Kriegs- und Domänenkammer wurde SDohm*)
ernannt, der sich um die Neuordnung der Verhältnisse große Verdienste
erworben hat.
2. Preußen wird besiegt. Durch die Erwerbungen Preußens
1802 verringerte sich zwar die Zersplitterung des Reichs — auf dem
Boden unserer heutigen Provinz gab es damals nur noch zwei
Landeshoheiten, eine preußische, zu welcher etwa zwei Drittel, und
eine kursächsische, zu welcher der größte Teil des heutigen Regierungs¬
bezirks Merseburg gehörte —, aber es wurde dadurch auch der
Zerfall des Reiches beschleunigt, da von jetzt an die süddeutschen
Staaten sich mehr und mehr Napoleon anschlössen. Zugleich barg
diese Politik aber auch für Preußen selbst große Gefahren, und zu
spät erkannte Friedrich Wilhelm III., daß Napoleon sein frivoles
Spiel mit ihm treibe.
) Geboren 1751 zu Lemgo, wurde Dohm zuerst Kriegsrat in Berlin,
dann preußischer Gesandter in Köln, war beim Rastatter Kongreß tätig, ordnete
von 1802—1803 die sehr verwickelten Verhältnisse von Goslar und kam dann
nach Heiligenstadt. Später diente er auch dem Königreiche Westfalen, nahm aber
1810 seinen Abschied und zog sich auf sein Rittergut Pustleben bei Nordhausen
zurück, wo er 1820 gestorben ist. Unter seinen Schriften verdienen besonders die
„Denkwürdigkeiten meiner Zeit" hervorgehoben zu werden.