Full text: [Band 4, [Schülerband]] (Band 4, [Schülerband])

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Die europäischen Kaufleute haben, was bereits angedeutet wurde, 
in Kamerun wie in den meisten sogenannten „Ölflüssen" an der Westafrika-195 
Nischen Küste keine Faktoreien am Lande, sondern wohnen mit Hab und Gut 
auf Schiffen, welche im Flusse verankert sind. Es geschieht dies einmal aus 
dem Grunde, weil man den Aufenthalt auf dem Flusse für gesünder hält als 
das Wohnen auf dem Lande, und dann auch der Sicherheit wegen, zum 
Schutze gegen Belästigungen seitens der Neger, gegen deren unvermeidliche 200 
Diebereien und gegen die Störungen, welche der beständige Hader der Schwarzen 
untereinander bereitet. Oftmals ist es auch vorgekommen, daß die Neger, 
unzufrieden mit den ihnen für das Palmöl gebotenen Preisen, eine Handels¬ 
sperre einführten, nicht allein den Verkehr mit den Kaufleuten abbrachen, son¬ 
dern diese auch verhinderten, mit ihren Booten den Fluß zu befahren oder 205 
an das Land zu kommen, eine Maßregel, welcher die Europäer machtlos gegen- 
liberstanden, solange Kamerun freies Gebiet war und nicht eine Staatsgewalt 
sich einmischen konnte. Die schwimmenden Wohnungen und Niederlagen der 
europäischen Kaufleute sind zweierlei Art. Entweder werden die mit Tausch¬ 
waren einlaufenden Seeschiffe im Strome verankert, abgetakelt, ihre Decke 210 
zum Schutze gegen die glühenden Sonnenstrahlen mit einem Dache ver¬ 
sehen und bleiben so lange liegen, bis alle Waren verkauft und der 
Schiffsraum dafür mit Palmöl, Elfenbein, Palmkernen,. Rotholz und 
andern Ausfuhrartikeln gefüllt ist, oder aber es werden — wie das seitens 
der deutschen Häuser Woermann und Janssen und Thormühlen, welche neben 215 
einigen englischen Firmen den Handel in Kamerun in Händen haben, geschieht 
— eigens für den Zweck eingerichtete Schiffsrümpfe, sogenannte „Hulks", 
dauernd verankert, in welche die je nach Erfordernis mehrmals im Jahre 
eintreffenden Schiffe die für den Tauschhandel eingeführten Güter ausladen, 
um dagegen die eingehandelten Ausfuhrwaren in Empfang zu nehmen. Zu 220 
ihrer Bedienung und zur Arbeit auf den Schiffen haben die Kaufleute, da 
die Eingeborenen von Kamerun zu träge und zu jeder Arbeit unbrauchbar 
find, Kruneger im Dienst. Es sind dies die Eingeborenen vom Kap Palmas sin 
Oberguineaj, welche sich stets auf mehrere Jahre auf den Schiffen vermieten, um 
nach Ablauf dieser Zeit von Landsleuten abgelöst zu werden. Als Köche werden 225 
hingegen die Eingeborenen von Akkra an der Goldküste gern beschäftigt. In 
ihren schmalen Kanoes bringen die Neger die Landeserzeugniffe — die wert- 
vollsten find Palmöl und Elfenbein — an Bord der Hulks, um sie gegen 
Baumwollenzeuge, Rum, Tabak, Gewehre, Pulver, Salz, Seife, Perlen, Band¬ 
eisen, Messer und andere Erzeugnisse europäischer Industrie umzutauschen. 280 
Dieser Tauschhandel ist sehr langwierig, da die Neger die Bedeutung des 
Wortes Zeit nicht kennen, lange überlegen, aber auch viel Schlauheit ent¬ 
wickeln, um einen möglichst hohen Preis zu erzielen. Bedeutendem schwarzen 
Händlern machen die Kaufleute, um deren Kundschaft sich zu sichern, oft wert¬ 
volle Geschenke, und nicht selten findet man daher in den armseligen Matten- 235 
Hütten große, mit Goldrahmen versehene Spiegel, prächtige Vasen und andere 
Luxusgegenstände, welche der Neger kaum zu würdigen versteht. 
Anton Reichen o w. Deutsche Revue. 9. Jadrg. Bd. IV. 1884. S. 95 ff.
	        
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