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14 Tagen hat Deine Schwester Hochzeit; wir alle werden Dich an diesem
Büge schmerzlich vermissen; am meisten grämt sich aber Deine alte Mutter,
Dich nicht zu sehen. Schadet aber nichts, haue nur tüchtig auf die
Franzosen ein, damit diesen Kerls recht bald das große Maul gestopft
werde!"
Der König gab den Brief zurück und ritt weiter. Es wahrte aber
nicht lange, so wurde der Soldat von seinem Posten abgelöst. Er erhielt
14 Tage Urlaub und konnte auf Kosten des Königs die Reise nach
Mecklenburg antreten. x. Schneider.
441. Altes Gold.
„Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.“
Dies Sprichwort hält gar manches warnend vor, das der und die beherzigen
könnte. Freilich wär’s im Sinne des Sprichworts besser, wenn der Krug gar nicht
zum Brunnen gienge! Merk’s, Lügner, Betrüger, Dieb! Du lügst dich heute
glücklich heraus aus einer unsaubern Geschichte — oder hast heute einmal mit
Erfolg gegen andere Leute falsch Zeugniss geredet, verleumdet, verdächtigt, be¬
schimpft, — aber der Krug bricht morgen schon, und Verachtung und Strafe
trifft dich. Redet die Wahrheit, ein jeglicher mit seinem Nächsten, dann bricht
der Krug nicht! Du übervortheilst andere im Handel und Wandel, und es ge¬
lingt prächtig [ Du lachst im Herzen über die Esel, die sich anführen liessen,
wenn du dein Profitchen berechnest, und du wirst kecker.
Sieh, dem Kruge wackelt schon der Henkel! Noch ein-, zwei-, dreimal —
und er bricht — deine Spitzbüberei ist entdeckt. Schmach und Schande, schuld¬
belastetes Gewissen — der Arm der Gerechtigkeit und seine wohlverdiente Strafe
— sie haben dich ereilt, und der Krug ist in Scherben. Du stiehlst! — Alle
Diebe, Räuber und Mörder haben mit kleinen Dingen in der Jugend angefangen
und an den Krug gar nicht gedacht. Es gelang, und sie wurden nicht entdeckt.
Das war gerade ihr Unglück; denn nun gieng immer rascher der Krug zum
Brunnen. Der Dieb wuchs am Leibe und an Geschicklichkeit zu stehlen und an
Irechheit und Sicherheit. Patsch! da bricht der Krug! die Gerichte haben ihn
und das Urtheil dieser Welt lässt nicht lange auf sich warten — das droben
bleibt nicht aus.
„Eine Hand wäscht die andehe“,
sagt man wohl, wenn ein Schelm dem andern durchhilft, und mancher unehrliche
Mensch sagfs einem andern, dem er einen kleinen Gefallen gethan hat. — Pfui!
so meint’s das Sprichwort nicht! Denk’ einmal nach! Wenn ihr euch die Hände
waschet, so wird, wenn ihr auch die eine nach allen Ecken im Wasser herum¬
schlenkert, sie dennoch nicht rein; die andere muss wischen und waschen, streichen
und kneten helfen, dann geht’s. Was lehrt euch das? — Nun, einer, der allein
steht, ohne den treuen Beistand seiner Nachbarn und Freunde, bringt nichts
fertig. Wenn aber diese sagen: „Warf, Nachbar, ich komme und helfe!“ dann
wäscht eine Hand die andere. Wenn nun aber der Nachbar deiner Hülfe be¬
darf? Ei nun, dann muss wieder deine Hand der seinen waschen helfen, und
es geht rein und herrlich ab. Verstanden? Der liebe Gott will, dass wir ein¬
ander helfen und dienen sollen mit der Gabe, die wir empfangen haben. So soll
eine Hand die andere waschen. w. o. v. Horn.
442. Barbarossa im Khsshäascr.
Es eilt der Zwerg zum Rothbart ; Verschwunden von der Warte
athemlosem Lauf: Ist traun der Rabenchor;
„Bch bringe gute Märe; Frei gehst du aus Bann und Zauber
Mein Kaiser, wache auf! Als neuer Kaiser hervor."
Deutschland ist einig, einig Aussährt der Barbarossa: —
Zm treuen Bruderbund, „„Ich fühl's — Erlösung naht; —
Aun schlägt auch dir, mein Kaiser, Es sagt mir Ohr und Äuge,
Bald die Erlösungsstund'. Geschehn ist große That!
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