Völker- ti. Staaten-Verhältnisse. §. 21. Staatseinrichtungen. 1075
Singlo-Amerikaner. Der politisch vorwiegende Theil der Be¬
völkerung ist in Nord-Amerika zugleich der numerisch bedeu¬
tendste, und alle übrigen in Betracht kommenden Volks-
Elemente sind europäischer Art, und stehen daher jenem Haupt-
theile in sittlicher und stammlicher Beziehung mehr oder we¬
niger nahe. Hier war kein Volk zu emanzipircn, welches sich,
wie die zahlreichen Ureinwohner und Mischlinge Mittel-
Amerikas, in einem ganz fremden, sehr'untergeordneten Ge-
sittungs- und Gedankenkreise bewegte, und daher keineswegcs
die politische Reife und Volljährigkeit erlangt hatte, welche
erforderlich ist, um sich selbst regieren, und Anderen mit der
Miene der Selbstständigkeit gegenüber treten zu können. Ja,
die Kreolen selbst standen und stehen den Anglo-Amerikanern
an politischer Bildung nicht gleich, namentlich hatten sie ganz
andere, nichts weniger als demokratische Traditionen und Ge¬
wohnheiten aus dem Mutterlande überkommen. — Dennoch
hat man in allen diesen Staaten, denen geordnete monarchische
Verfassungen allein Heil bringen konnten, die politischen In¬
stitutionen der nord-amerikanischen Staaten nachzuahmen ge¬
sucht; hat großnu'ithig alle Sklaven für frei, die bisher zwar
nicht als Sklaven, aber als Unmündige (was sie auch in
der That sind) behandelten Eingeborenen für ebenbürtig er¬
klärt, und überhaupt die Prinzipien der Demokratie mit einer
Konsequenz in Anwendung gebracht, die von der Wirklichkeit
der Dinge und den unausbleiblichen Folgen ganz absieht. —
Nirgend besieht vielleicht eine schärfere, kastenartigere Standes-
schichtung, als in diesen Ländern, deren Bewohner, nach dem
Wortlaut der Verfassungsurkunden, dennoch die vollkommenste
Gleichheit in Anspruch nehmen können. Der Kreole sieht
auf den halbblütigeu Bastard mit einer Geringschätzung, die
dieser mit Unwillen zurückzuweisen strebt, während er sie zu¬
gleich gegen Rothhäute und Neger — und offenbar mit min¬
derem Recht — zu äußern nicht ansteht. Dieser Widerspruch
der gesetzlichen und faktischen Verhältnisse; der Egoismus, der
in allen republikanischen Zuständen ein bequemeres Fahrwasser
findet; der Mangel au wahrer Bildung und sittlicher Würde,
an kirchlicher Erziehung und christlicher Gesinnung: diese Um-