§. 17. Topische Verhältnisse.
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Unabhängigkeit und kriegerischer Selbstständigkeit leben, des¬
halb mit Verachtung auf die geknechteten, unstreitbaren Tad-
schiks herabblicken, und den Namen „Ihlat" in Persielt zu
einem Ehrentitel gemacht haben. Sie ziehen in zahlrei¬
chen Tribus mit ihren Heerden auf allen Gebirgsrän-
dem Irans, zumal den nördlichen umher, und sind hier in
Masanderan und Aferbeidschan am zahlreichsten. Ausnahms¬
weise haben sie sich auch hie und da des Nomadenthums be¬
geben, und zu Pflug und Spaten gegriffen, wie am Urmia-
See, oder, in den großen Städten, zu irgend einem Hand¬
werk. —
Außerdem gibt es aber in Persien auch, wie fast in allen
Theilen Asiens, Araber (c. 200000 K.) in den fiidöstlichen
Provinzen als Nomaden und Fischer; sodann wenige Juden,
Armenier, Zigeuner rc.
Die Kultur- und Gesittungs-Verhältniffe sind,
bei ähnlichen physischen und völkerschaftlichen Unterlagen, de¬
nen Turans und des türkischen Asiens sehr ähnlich. — Das
Volk ist durchgängig in demselben Zustande von Rohheit und
Unwissenheit. Die Regierung scheint die Politik zu haben,
„das Huhn zu todten, das goldene Eier legt"; die gänz¬
liche Unsicherheit des Eigenthums verbietet die Verwendung
von Kapitalien auf den Ackerbau, der in diesem Klima nur
durch kostbare Bewässerungs-Anlagen einträglich gemacht wer¬
den kann. Die Verkehrswege sind nicht nur ungemein be¬
schwerlich, sondern auch höchst unsicher; sie sind verödet, weil
die Armeen und alle im Aufträge der Regierung Reisenden
sie rücksichtslos ausgeplündert und die Bewohner in abgele¬
gene Gegenden gescheucht haben. Die Landstraßen, die in
der europäischen Welt als Wohlstandsqucllen für die Anwoh¬
ner betrachtet werden, sind daher hier, wie in den Türkenlän¬
dern, die Ursache des Verderbens. — Aller dieser Bedräng¬
nisse ungeachtet sind mehrere Nahrungszweige dennoch von
großer Bedeutung. Dahin gehört der Seidenbau, besonders
der Provinzen Gilan und Masanderan, der Anbau des Reis
und Zuckerrohrs in Masanderan und am persischen Meerbusen,
der Rebe fast überall, besonders in den Gegenden von Schi-
v. Neon Erdkunde. UI. 2. 62