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Das britische Reich.
sen im größten Folioformat gedruckten Zeitungen zu erfahren.
Niemand spricht mit dem Andern, wenigstens nicht anders alS
leise. Um die Mittagsstunde verändern sich die größeren Kaffee¬
häuser in förmliche Büreau's, wo Briefe geschrieben, wo oft
weit mehr Geschäfte als in den Privatwohnungen abgemacht wer,
den, und man stets sicher ist, seinen Mann zu finden, wenn man
weiß, welches Kaffeehaus derselbe regelmäßig besucht. Die Bür,
gersteige vor den Häusern sind nicht nur von der Fahrstraße ge,
sondert, sondern auch etwas erhöht. Dazu kommt das schöne
Pflaster mit Quadersteinen und die Gewohnheit, stets rechter
Hand auszuweichen, so daß das Gehen trotz des Gedränges nicht
beschwerlich ist. Entsteht ja eine Hemmung durch das zu starke
Gedränge, so hält irgend ein geschmackvoller Kaufladen, vor dem
man stehen bleibt, schadlos. Vor einigen der schönsten sieht man
immer einen Kreis von Beschauern. Nur nehme man hier seine
Taschen in Acht. Denn gerade diese Augenblicke wissen die Pick-
Pockets (Taschendiebe), die man in ihrem anständigen Anzuge
nicht herauskennt, zu benutzen, und unter dem Scheine, die Waaren
zu beschauen, ihr HänLespiel gar künstlich zu treiben. Was man
in den großen Straßen von Fußgängern sieht, hat fast ohne alle
Ausnahme den Anschein von Wohlhabenheit. Aermlichkeit und
Schmutz erblickt man fast allein in Len kleinen Straßen der City
oder auf größern Märkten und Plätzen. Dort hingegen ist fast
Jeder wahlgekleidet; die Männer im Durchschnitt schwarz und
stets in sehr weißer Wäsche — denn dies ist unerläßlich, um als
ein Oentleman zu erscheinen —, die Frauen ohne Ausnahme in
Hüten und sehr zierlich angezogen, recht eigentlich geputzt, als ob
sie eben in Gesellschaft gehen wollten. In einigen Gegenden, wo
die Prachtlädcn sind, sieht man in den Stunden von 12— 3 die
elegantesten Damen, die, weniger um zu kaufen, als um zu se,
heu, gesehen zu werden und sich zu unterhalten, sogenannte La-
dengänge oder Ladenfahrten machen, waS sie g-o a shappiiig (go
a Schäpping) nennen. Sie reißen in den Kaufmannsläden hum
derterlei auseinander, lasten sich eine Menge von Dingen zeigen,
oft ohne das geringste zu kaufen, und wahrlich die Geduld der
Kaufleute ist zu bewundern, die sich das nicht nur gefallen lasten,
sondern sogar die Höflichkeit selbst dabei sind.
Mitten unter dem so beweglichen Leben der Straßen und
Plätze trifft man auch oft unbewegliche Gestalten an. Da sieht
man Männer, die wie Laterncnpfähle an hohe Stangen gelehnt
sind, an denen oben eine Tafel befestigt ist, welche Sehcnswür,
digkeiten: fremde Thiere- Riesen und Zwerge, Lotterien, bei de¬
nen Tausende zu gewinnen seyn sollen, ohne etwas zu verlieren,
Panorama's, Concerte u. s. w. ankündigt, indcffen Andere, die
dergleichen Tafeln auf den Rücken geheftet haben, sich ganz lang¬
sam damit fortbewegen. Der Fahrweg wird in den Hauptgcgen-