Das britische Reich. 
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Bath (Baß). Das Leben in den englischen Badeorten! 
ist ganz anders als in den unsrigen, und verdient bei dieser Ge¬ 
legenheit eine Schilderung. So sehr auch der Engländer die Frei¬ 
heit liebt, so ist er doch weit mehr ein Selave der alten Gewohn¬ 
heiten und der eingeführten Etikette. Das ist besonders in Ba¬ 
deörtern der Fall, und damit diese nie verletzt werde, ist in jedem 
Badeorte ein eigener Ceremonienmeister, in Bath sogar zwei, ange¬ 
stellt. Dieser macht gewissermaßen den Wirth, sorgt für alles, 
kommt Jedem höflich entgegen, veranstaltet die gemeinschaftlichen 
Vergnügungen, Bälle, Assembleen, sieht dabei auf Ordnung, sicht 
darauf, daß sich Jeder möglichst unterhalte, und schlichtet etwa 
entstehende Streitigkeiten. Dagegen fehlen die bei uns gewöhnli¬ 
chen Brunnenärzte in England ganz. Hat man sich gleich nach 
seiner Ankunft im Badeorte häuslich eingerichtet, hat man Kar¬ 
ten an die Badegäste geschickt, die man kennt oder deren Bekannt¬ 
schaft man wünscht, so unterzeichnet man zu den an bestimmten 
Tagen statthabenden Assembleen, Concerten und Ballen, vor al¬ 
len Dingen aber zu einer der vielen Leihbibliotheken, die der 
Haupttrost für diejenigen sind, die nicht wissen, wohin sie mit ih¬ 
rer Zeit sollen. „Ist früh das Wasser getrunken, welches ge¬ 
wöhnlich während der Promenade in einem der Brunnensäle ge¬ 
schieht, hat man gebadet, für sich gefrühstückt, was fängt man 
dann mit dem langen Vormittage bis Z Uhr an, wo die zweite 
Toilette beginnt? Reiten, fahren, gehen kann man nicht immer; 
die wenigen Visiten, der Besuch der Putzläden sind bald abge¬ 
macht." Dann geht man in die Leihbibliotheken, wo man immer 
Gesellschaft stndet, und nach Belieben entweder lesen oder plau¬ 
dern kann. Zu Mittage speist man etwas eher als in London, 
weil die Abcndvergnügungen schon um 7 Uhr anfangen. Die mei¬ 
sten essen zu Hause. Nach Tische ,vird die dritte Toilette gemacht. 
Jeder Abend hat seine bestimmte Vergnügung. Ist diese vorbei, 
so geht man um Mitternacht zur Ruhe, und hat einen Tag — 
ohne Nutzen für sich und die Welt hingebracht. Wie sind die zu 
bedauern, die so leben müssen oder leben wollen? Am traurigsten 
ist der Sonntag. Da sind Spiel, Tanz, selbst Lectürc verpönt; 
alle Laden sind geschlossen. Es bleibt da kein Trost übrig, als 
im Salon umherzugehen und Thee zu trinken. So wie in Eng¬ 
land Ton ist, die Natur der Dinge umzukehren, und aus dem 
Tage Nacht und aus der Nacht Tag zu machen, so ist das auch 
mir der Badezeit. Bath besuchen die Badegäste nicht im Som¬ 
mer, sondern im Winter. Vom November bis zum Mai wim¬ 
melt es hier von eleganter Welt, die aber mehr des eiteln Her¬ 
umtreibens wegen hierher kommt, als um die Gesundheit wieder¬ 
herzustellen. Im Sommer ist cs leer; da wird der Ort nur von 
den wirklichen Kranken besucht. Die Stadt Bath hat eine schöne 
Lage, in einem lachenden, von einem Flusse durchströmten Thale,
	        
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