Das Königreich Neapel. 
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ganz Neapel voll Jubel; denn dann hat man Glück und Segen 
zu erwarten; bleibt es aber trocken, so ist das ein sehr übles Zei¬ 
chen. Wie es die Priester anfangen, um die rothe Masse im 
Glase flüssig zu machen, ist uns nicht bekannt. Unter den öf¬ 
fentlichen Gebäuden zeichnet sich noch das Theater San Carlo 
aus, das nahe am Schlosse steht. Es ist wohl das größte, das 
man hat, und noch größer als das in Parma, dabei ungemein 
prachtvoll, und blendend erleuchtet. Sechs Reihen Logen sind 
über einander. Es ist rosa gemalt, und mit Gold und Silber 
verziert. Manchen Abend brennen 8000 Wachskerzen, ohne die 
Kronleuchter zu rechnen. Eine eigene Klasse von Einwohnern sind 
die Lazzaroni, deren Zahl auf 40 — 60,000 angegeben wird. 
Dies ist die arbeitende Klasse, die dabei so arm ist, daß viele 
nicht einmal eine Wohnung haben, sondern unter den Vorhallen 
der Kirchen oder auf den Ecksteinen der Straßen schlafen. Ein 
Reisender sagt folgendes über sie: „Ob man gleich glauben sollte, 
daß es keiner großen Stadt an Lazzaroni fehlen könnte, so hat 
dennoch die außerordentliche Leichtigkeit der Subsistenz, verbun¬ 
den mit der großen Beweglichkeit des süditalienischen Volkschar 
rakters dem neapolitanischen Lazzaronicorps einen ganz besondern 
Geist und ein eigenthümliches Gepräge mitgetheilt. Das Leben 
scheint überhaupt in keinem Orte der Welt so öffentlich zu seyn 
wie hier. Alle Gewerbe, ehrliche und unehrliche, treibt man auf 
der Straße; die Kuchenbäcker fahren ihren ganzen Kram auf zwei¬ 
rädrigen Karren umher, die Kaffeebuden sind ganz frei und offen. 
Man brät, kocht, ißt, trinkt und verrichtet fast alle Geschäfte 
unter freiem Himmel. Der Lazzaroni hat weder Holz noch Woh¬ 
nung nöthig; seine ganze Bekleidung besteht gewöhnlich in einem 
Paar leinenen Beinkleidern und einem Hemde; seine Brust ist 
offen, sein Kopf unbedeckt. Er lauert den ganzen Tag unbeküm¬ 
mert, bis ihn der Zufall ein paar Kreuzer in die Hände führt; 
damit steigt er an den Strand hinab, kauft vielleicht einige elende 
Fische für dieses kleine Capital, und läuft damit schreiend durch 
ganz Neapel, Jedem versichernd, es seyen die besten Thiere, welche 
seit Wochen gefangen wären. Endlich setzt er seine Waare doch 
mit einigem Gewinn ab, und davon lebt er fröhlich den Tag 
über. Einerseits sind sie die treusten, gutmüthigsten und genüg¬ 
samsten Leute von der Welt; mehrere Fainilien bedienen sich ih¬ 
rer zu den schweren häuslichen Verrichtungen; ja manche ver¬ 
trauen ihnen sogar Sachen von Werth, z. B. silberne Löffel und 
dergl. zum Putzen an, ohne daß sie jemals Ursache über sie zu 
klagen hätten, und man findet Lazzaroni, die oft 20 Jahre lang 
in solchen Häusern zur Zufriedenheit aller dienen. Sie lassen sich 
als Lastträger gebrauchen, und sind mit einer angemessenen Be¬ 
lohnung gern zufrieden, während man in andern italienisches 
Städten der ungeheuren Unverschämtheit dieser Kerle nie genügen
	        
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