Das Königreich Neapel.
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dunkle Fclsenwcg heißt die trotte des Posilippo. In der
Mitte brennen Tag und Nacht einige Lampen; sie ist fast eine
halbe Viertelnieile lang. Das unS umgebende Dunkel, das flim¬
mernde Licht der Lampen, und der grelle Wiederschein der fernher
leuchtenden Sonne, nebst dem dumpfen Rollen der Wagen, macht
einen ganz eigenen Eindruck. Sind wir hindurch, so empfängt
uns eine hohe Ulmenallee, in deren Hintergrund die blauen Wo¬
gen deS Meeres sich zeigen. An ihren schlanken Baumstämmen
rankt sich die Weinrebe mit unendlicher Ueppigkeit, oft 20 — 40
Fuß hoch, und zieht sich bisweilen in dreifachen Traubenguirlan-
den von einem Baume zum andern, „als sollte hier der jugend¬
liche Gott deS Weins seinen Einzug halten." Zu den Zeiten der
Römer war diese Gegend ganz mit Villen und Lustgärten um¬
kränzt; hier hatten Marius, Pompejus, Lucull, August, Mäce-
nas, Virgil und andere Römer ihre prächtigen Landsitze. Hier
lag daS reizende Bajä, wo Caligula die lange Brücke schlagen
ließ, und Nero seiner Mutter Agrippina das verratherische Fest
gab *). Ueber dem Posilippo beflndet sich das Grab des römi¬
schen Dichters Virgil**). Es ist eine kleine Felsengrotte mit ei¬
nigen Nischen, die von hohen Eichenbäumen beschattet wird. Die
ganze Gegend ist vulcanisch. Wenn wir uns vom Posilippo rechts
wenden, und in die Höhe steigen, so finden wir einen von tau¬
send Wasserhühnern belegten See, den See von A guano.
Er befindet sich in dem Cratcr eines ausgebrannten Vuleans.
Dann und wann brudelt das Wasser hoch auf, als wenn es
kochte, und doch ist es ganz kalt. Nahe dabei sind die Schwitz/
bäder von San Germano. Es steigen hier nämlich heiße
Dämpfe aus der Erde auf; über dieser Stelle hat man Zimmer-
angelegt, in denen die Kranken die heißen Bäder gebrauchen.
Nicht weit davon ist die Hunds grotte. Es ist eine kleine
und niedrige Höhle, auf deren Boden in einer Höhe von etwa
einem Fuße eine Schicht von so starkem kohlensauren Gas sich
befindet, daß die hellsten Fackeln, die man hincinhält, augenblick¬
lich verlöschen. Hier befinden sich immer einige Leute, welche sich
Hunde halten, um an ihnen den Reisenden die Wirkung der Stick¬
luft zu beweisen. Sie ergreifen die armen Thiere bei den Bei¬
nen , und legen sie auf den Boden. Sogleich fangen sie an sehr-
schwer und heftig zu athmen, und sind sichtlich im Begriff zu
ersticken. Nach zwei Minuten wirft man sie ganz leblos auf den
Rasen, wo sie sich nach und nach wieder erholen, husten, stark
geifern, die Augen verdrehen und endlich taumelnd wieder auf¬
stehen. Steht man in der Grotte aufrecht, so merkt man nichts;
*) S. mein Lehrbuch
Th. 1., S. 292 u. 301.
**) Ebend. S. 274.
der Weltgeschichte für Töchterschulen, 2te Auèg.,
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