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Blicke in die -Vergangenheit Westfalens.
Wiedertäufer mit ihren Gräueln auf. Diese schadeten dem Fortgange
der Reformation gar sehr. Die Gegner der neuen Lehre stellten
dieselbe als die Quelle des Aufruhrs dar, und selbst die Landesherren
behaupteten, daß in ihr der Grund aller begangenen Verbrechen zu
suchen sei. Weil sich die wiedertäuferischen Unruhen auch bis nach
Soest ausgebreitet hatten, so wollte Herzog Johann ein strenges
Gericht über die Stadt ergehen lasten; doch ließ er sich durch den
Kurprinzen, Johann Friedrich, von Sachsen zur Milde stimmen.
Nun wurden auch in Iserlohn, Altona, Bochum, Unna und
im Ravensbergischen evangelische Gemeinden gegründet. Schweres
Unglück drohte den Evangelischen nach dem Ausbruche des schmal-
kaldischen Krieges. Der Graf von Tecklenburg wurde in die
Reichsacht erklärt und verlor die Grafschaft Lin gen, blieb aber der
Reformation doch treu; seine Unterthanen folgten seinem Beispiele.
Auch Minden hatte um diese Zeit viel zu leiden. Kaiserliche
Truppen erschienen vor der Stadt, um sie zu erobern; nur durch
Zahlung einer bedeutenden Geldsumme entging sie dem Verderben.
Nach dem Augsburger Religionsfrieden, 1555, wurden die
vertriebenen Geistlichen zurückgerufen. Auch im Siegen'schen
breitete sich die Reformation aus. Am Ende des l6. Jahrhunderts
batte sie bereits in allen den Gegenden feste Wurzel geschlagen, deren
Bevölkerung heute noch zur evangelischen Kirche gehört.
8. Wie die Lcstcindthcile der Provinz Westfalen preußisch geworden stnd.
Die seit 1815 bestehende Provinz Westfalen ist aus verschieden¬
artigen Bestandtheilen zusammengesetzt. Die Grafschaft Mark ist
unter ihnen der älteste, durch seine Preußentreue berühmte Besitz der
Hohenzollern. 1614 schon fiel dieses Land an das Kurfürstenthum
Brandenburg. Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts war die
Grafschaft Mark mit Cleve vereinigt, am Ende des 15. Jahrhunderts
heirathete Herzog Johann II., der Sohn des tapfern Schutzherrn von
Soest, die Erbin der Lande Jülich, Berg und Ravensberg und ver¬
einigte diese mit Cleve und Mark zu einem Herzogthume. Als 1609
der letzte Herzog aus dem alten Hause starb, erhob sich ein Erbfolge¬
streit zwischen Brandenburg und Pfalz-Neuburg. In einem Vergleich
zwischen den streitenden Erben wurde festgesetzt, daß Cleve (jetzt zur
Rheinprovinz gehörig), Mark und Ravensberg an Brandenburg
kommen sollten. Es war zur Zeit, als Johann Sigismund, ein
Enkel der Schwester des letzten Herzogs von Jülich u. s. w., Kurfürst
von Brandenburg war. Im sogenannten westfälischen Frieden erhielt
hierzu der große Kurfürst das Fürstenthum Minden 1648; sein Sohn,
der erste preußische König, erwarb 1702 die Grafschaft Lingen, 1707
die Grafschaft Tecklenburg. Unter Friedrich Wilhelm III. erhielten
die westlichen Besitzungen Preußens einen bedeutenden Zuwachs. Da
wurden die Bisthümer Münster und Paderborn in weltliche Fürsten-