124 
Meißener Kreises mit Holz, neben welchem es auch nicht an Torf 
und Steinkohlen fehlt. Des Bodens wellenförmige Gestalt und meist 
zu steinreicher Gehalt erschweren Feld- und Gartenbau, und rauhes 
Klima vereitelt in den höchsten Gegenden nicht selten die größten 
Anstrengungen des Landmannes. Der Felder bester Segen sind 
Hafer, Lein und Erdäpfel. Letztere, welche man vor etwa hundert 
Jahren statt Butter zu Brote aß, vertreten setzt nicht selten des 
letztern Stelle und sind die wahre Brotfrucht des Erzgebirges, woran 
der Arme den größten Theil des Jahres hängt: die Frucht, die oft 
nur mit Salz, seltener mit Butter oder Leinöl, sein Morgen-, Mittag- 
und Abendbrot giebt. Gar oft zählt man sie den Kindern wie Lecker¬ 
bissen zu, und sich darin satt essen zu können, ist mancher Familie 
wahre Erquickung. — Ohne Gedreidezufuhr aus Böhmen und den 
anstoßenden Provinzen würde der arme Erzgebirger oft hungern 
müssen, obschon er mit unglaublicher Anstrengung, gleich dem Tyroler 
und Schweizer, der Erde gleichsam abzuzwingen sucht, was sie ihm 
versagt. Halbe Stunden weit trägt er in Körben guten Boden und 
Dünger auf nackte Felsen, wo nicht selten ein Platzregen ihn weg¬ 
schwammt, Bergabhänge bepflügt er, die der Niederländer kaum be- 
klettern kann. Gras mäht er auf Höhen, wo ein Fehltritt ihn ver¬ 
unglücken läßt. Heu holt er mitten im Sommer auf Schlitten, wo 
er mit Wagen nicht fortkommen kann. Mit Centnergeduld liest er 
Steine von den Feldern, und doch wird ihm meist nur dürftige, oft 
gar keine Ernte zu Theil. 
Den Erzgebirger charakterisiren Zufriedenheit mit Wenigem, Treu¬ 
herzigkeit mit Geradheit im Umgänge, etwas Singendes beim Sprechen, 
ein bäufiges Verdrehen üblicher, auch Einmischen fremder oder selbst¬ 
geschmiedeter Worte und noch so manche andere Eigenheiten. Ganz 
befonders eigen sind ihm Fleiß und Sinnen auf Erwerb, wozu ihn 
die Natur gleichfam spornt; denn fast jede Gabe läßt sie nur mit 
Mühe oder Gefahr sich abgewinnen. Sogar das Gehen erschwert 
sie ihm. Kaum viertelstündig sind im Erzgebirge die Ebenen, und 
es giebt dort in der That fast nur Fußsteige, nicht Fußwege, denn 
das Steigen und Klettern nimmt gar kein Ende. Mühsamer wird 
nirgends der Landbau betrieben und frühzeitiger wohl nirgends 
die Jugend zur Arbeit angehalten. Mit dem fünften bis zum sechsten 
Jahre schon hilft das Kind verdienen in der Klöppelstube, wie am 
Spinnrocken und in der Hütte. 
Eigen ist ferner dem Erzgebirger, gleich dem Tyroler und Sa- 
voyarden, das gewerbfleißige Wandern in ferne Gegenden und die 
doch ewig lebendige Sehnsucht nach den Bergen und Thälern der 
Heimath. Den Strichvögeln gleich, ziehen aus manchen Gegenden, 
besonders des Obergebirgs, im Frühjahre Hunderte mit Bändern, 
Spitzen, Blechwaaren, blauer Farbe u. s. w. in alle Länder deutscher 
Zunge, von der Schweiz bis Rußland, ja oft nur mit Axt und Kelle,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.