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Türkische Musik, Jubel und Lärmen von Erwachsenen und Kindern 
erschallt überall, aus Zelten, wie auf freien Plätzen. Unter Gauk¬ 
lern, Luftspringern, Thierbändigern und Komödianten wähnt man 
in einer Zauberwelt zu sein, wenn nicht der Blick zufällig an irgend 
einer freien Stelle der Au' den alten, ehrwürdigen Stephansthurm 
gewahrt, der ernst in das Getümmel hineinschaut. 
31. St. Stephan.* 
Von welcher Seite man sich Wien auch nähern mag, so sieht 
man in meilenweiter Entfernung den Riesenbau des St. Stephan 
aus dem Häusermeere aufragen, welches sich an der Donau, ihren 
Kanälen und Bächen dahinzieht. Obschon der gewaltige Bau des 
Mittelalters noch nicht vollendet ist und wegen der jahrhunderte¬ 
langen Dauer des Baues die Einheit des Stils überhaupt vermissen 
läßt, so gehört er dennoch zu den Wunder- und Prachtwerken deutscher 
Baukunst, auf welche unser Volk stolz sein kann. Denn an Höhe 
wetteifert der Thurm mit den vielgerühmten Pyramiden, da er mit 
dem Aufsatz, der vor einigen Jahren an die Stelle der damals sich 
neigenden Thurmspitze gesetzt ist, 4351/2 Fuß mißt, während die 
höchsten Pyramiden in senkrechter Erhebung nur 450 Fuß hoch sind. 
Vergleicht man aber die Kunst des Baues, so müssen die Pyramiden 
zurückstehen, denn sie sind nur Steinkolosse, die durch die ungeheure 
Masse des Materials in Erstaunen setzen, während der Stephan 
vom Fuß bis zum Gipfel ein wohldurchdachtes und gar herrlich aus¬ 
geführtes Kunstwerk, ja eigentlich nur ein schön verzierter Schrein 
ist, in welchem Tausende von Kunstwerken in Nischen, Kapellen, an 
Pfeilern, Altären, Baldachinen, Kanzeln, Fenstern, Gesimsen, Auf¬ 
sätzen, Galerien und Bogen angebracht wurden. 
Der Dom ist aus Quadern von Grobkalk nach einem Plane 
Rudolf IV. in einer Länge von 333 Fuß, in einer Breite von 
222 Fuß und einer Höhe des Schiffs von 86 Fuß aufgebaut, bis 
zum Dachgiebel mißt er gar 105 Fuß. Er bildet ein Kreuz, an 
dessen Ende je ein Riesenthurm stehen sollte, doch ist am Südende 
nur einer bis zur Spitze ausgebaut, während an der Westseite die 
beiden achteckigen, 202 Fuß hohen Heidenthürme den Bau nach dieser 
Seite schließen. 
Schon im Jahre 1144 baute Markgraf Heinrich Jasomirgott 
mitten in der heutigen Altstadt ein Münster, ^welches mannichfach 
erweitert und verschönert wurde. Feuersbrünste und andere Unfälle 
zerstörten das Gebäude zum Theil wieder. Da that Rudolf IV. am 
11. März 1359 mit eigener Hand den ersten Schlag zur Grund¬ 
veste des Neubaues und legte am 7. April den ersten Stein zum 
Fr. Körner, Geographische Bilder aus Oestreich. Leipzig. Spamer.
	        
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