118
Da waren neunzehn Prinzen des Hauses Anhalt zu Ausgang
des dreizehnten Jahrhunderts auf einem Familientage versammelt.
Und nachdem nur neunzehnmal die Frühlingssonne des neuen
Jahrhunderts das Eis der Havel und Spree geschmolzen hatte,
waren die Grüfte voll, und das Haus stand auf zwei Augen;
und als die Herbstftürme kamen, waren auch die geschlossen.
Mit dem Wappen der Askanier, das über ihrer Gruft zer¬
schlagen ward, zerfiel auch ihr Reich. In den Sand fuhr wieder
der Sturmwind; in flüchtigen Wellen bedeckte er die Saaten und
Gärten und zerstörte die Straßen und Gehege; aus dem kaum
bearbeiteten Sumpfe mußte die Pflugschaar wieder fort; das
Grundwasser quoll auf, und die alte Wildniß herrschte wieder.
14. Das Schildhorn.
Wer von Spandau aus die Havel eine Stunde abwärts fährt
bis Tiefwerder und Pichelsdorf, der sieht da, wie am rechten Ufer
des Stromes auf einer Landzunge sich eine Anhöhe erhebt. Sie
heißt das Schildharn. Auf der Anhöhe steht eine steinerne Säule,
die mit einem Schilde geziert ist und auf ihrer Spitze ein Kreuz
trägt. Diese Säule erinnert an eine Begebenheit, die sich hier
vor mehr als 700 Jahren zugetragen haben soll.
Um das Jahr 1140 starb zu Brandenburg der letzte wen¬
dische Beherrscher des Havellandes, Namens Pribislav. Er hatte
schon vor seinem Tode Albrecht den Bären zu seinem Nachfolger
ernannt. Dieser nahm also die Stadt und das Land in Besitz.
Zu Cöpenick an der Spree'wohnte aber ein Verwandter des Pri¬
bislav, der Wendenfürst Jaczo. „Bin ich nicht der natürliche
Erbe des Landes," sagte dieser bei sich selbst, „und welches Recht
haben die Christen auf wendisches Eigenthum?" Darum zog er
mit einem zahlreichen Heere gegen das feste Brandenburg. Auf
der Havel wurde tapfer gekämpft, und die Wenden eroberten die
Burg. Aber Albrecht der Bär eilte herbei und nahm sie wieder
mit Gewalt in Besitz. Jaczo zog nordwärts gen Spandau mit
den Seinen. Das Heer der Christen unter Albrecht folgte ihnen.
Auf den Feldern zwischen Groß-Glienecke und Spandau kam es
zur Schlacht. Als die Wenden das Kreuz auf dem Banner der
Christen näher rücken sahen, sank ihnen die Hoffnung auf den
Beistand Triglavs, ihres Götzen. In Haufen verließen sie den
Kampfplatz und flohen, um unter dem Schutze der Nacht dem
Christengotte zu entrinnen. Jaczo war einer der Letzten, welche
die Waffen schwangen. Als er sich aber von den Seinen verlassen
sah, wandte er auch sein Roß und sprengte davon. Plötzlich war
seine Flucht durch einen breiten Strom gehemmt; er hielt am
Ufer der Havel. Vor ihm lag die blaue Wasserfläche, und ihre
Wogen stiegen ruhig auf und ab. Hinter ihm war der Feind.