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steter in die Fremde. — Freundlicher sieht Einen das Land an, je weiter ntan
die Ruhr hinabkommt. Hübsche Flußthäler winden sich durch das Land; Acker¬
bau und Viehzucht ist einträglich. So haben wir den Westtheil des Arnöberger
Bezirkes erreicht, die Grafschaft Mark. Der südliche Theil dieses Landstrichs
enthält ein anmuthiges Gemisch von hellen Thälern und grünen Berghohen;
nur näher nach dem Sauerlande zu ist die Gegend weniger lieblich. Zwischen
den Höhen und an den unzähligen Flüßchen wohnt ein kräftiges und gewandtes
Geschlecht. Garten stößt an Garten, Fabrik an Fabrik. Hier ist eine der reich¬
sten Gegenden auf der Erde. Die sonst in Fabrikgegenden gewöhnliche Armuth
wird hier dadurch gemindert, daß der Arbeiter, wo er es eben erschwingen kaun,
sich ein eigenes Hüttchen oder doch ein Stückchen Land zu erwerben trachtet.
Am deutlichsten sieht man das gewerbliche Treiben um Iserlohn, in Schwelm,
Hagen u. s. w. Der rege Gewerbfleiß reicht so weit, als das Hügelland geht,
und strichweise auch noch in die Ebenen hinein, welche der Ackerbau in Beschlag
genommen hat.
Dis Provinz Westphalen enthält 368 Quadratmeilen und hat 1,500,000
Bewohner. Sie zerfällt in die Regierungsbezirke Münster, Minden, Arnsberg.
78. Zwei Briese.
Als im Jahre 1807 der Friede mit Napoleon geschlossen
war, mußte Friedrich Wilhelm HI. sein halbes Land an Frank¬
reich abtreten. Er schrieb demzufolge an die Bewohner dieser
Provinzen folgenden Abschiedsbrief.
„Ihr kennt, geliebte Bewohner treuer Provinzen, Meine Ge¬
sinnungen und die Begebenheiten des letzten Jahres. Meine Waf¬
fen erlagen dem Unglück; die Anstrengungen des letzten Restes
Meiner Armee waren vergebens. Zurückgedrängt an die äußerste
Grenze Meines Reiches, blieb Mir nichts übrig, als dem Lande
Ruhe nach der Noth des Krieges zu wünschen. Der Friede
mußte durch schmerzliche Opfer erkauft werden. Was Jahrhun¬
derte und biedre Vorfahren, was Verträge, Liebe und Vertrauen
verbunden hatten, wird jetzt getrennt. Das Schicksal gebietet; Ich
scheide von euch, aber wie ein Vater scheidet von seinen Kindern.
Euer Andenken kann kein Schicksal, keine Macht aus Meinem und
der Meinigen Herzen vertilgen."
Auf diesen Brief haben die Markaner in Westphalen folgende
Antwort geschickt: „An König Friedrich Wilhelm den Guten! Das
Herz wollte uns brechen, als wir Deinen Abschied lasen, und wir
konnten uns nicht überreden, daß wir aufhören sollten, Deine
treuen Unterthanen zu sein, wir, die wir Dich immer so lieb hat¬
ten. So wahr wir leben: hätten Deine Feldherren uns gleich
zu neuem Kampf aufgerufen, Leib und Leben hätten wir daran
gewagt und sicher das Vaterland gerettet. Denn in unsern Adern
fließt noch feurig der alten Deutschen Blut, und unsere Lanzen¬
knechte haben Mark in wen Knochen. Doch wir können dem Wil-