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tage liegen zwischen dem Säen und Ernten. Menschenhand kann
die Regenwolken nicht herbeiführen, noch den Hagel abwehren.
Der Herr behütet das Körnlein im Schooße der Erde, behütet
die grünende Saat und die reifende Aehre. Fürchtet euch nicht!
Er war mit uns. An Gottes Segen ist Alles gelegen!"
Nun nahm die dritte Garbe das Wort: „Die mit Thrä¬
nen säen, werden mit Freuden ernten! Mit schwerem Her¬
zen ging ein Sohn aus , zu säen. Ach, der Vater war ihm'ge¬
storben, und daheim weinte die verlassene Mutter; denn die harten
Gläubiger hatten die Scheuern geräumt. Ein mitleidiger Nach¬
bar lieh ihm den Samen; aber Thränen fielen mit den Körnern
in die Furchen. Nun erntet er hundertfältig; denn der Herr hat
seine Ernte gesegnet. Die mit Thränen säen, werden mit Freu¬
den ernten; sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen
und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben!"
Darnach fuhr eine vierte fort zu reden: „W-ohlzuthun
und mitzutheilen vergesset nicht; denn solche Opfer
gefallen Gott wohl. Könnten wir das Hineinrusen in die
Häuser der Reichen, die ihre Scheuern jetzt füllen! Könnten wir's
dem hartherzigen Manne zurufen, der gestern die armen Aehren-
leser von seinem Acker trieb! — Wen der Herr gesegnet hat, der
soll auch seine milde Hand aufthun, daß er gleiche dem redlichen
Boas, der an der frommen Ruth Barmherzigkeit übte. Wohl¬
zuthun und mitzutheilen vergesset nicht!" — Und die Wachteln
riefen laut hinüber in's Dorf, als wollten sie die schlafenden Her¬
zen aufwecken.
Also endete die fünfte Garbe: „Was der Mensch säet,
das wird er ernten! Wer kärglich säet, der wird auch kärglich
ernten; und wer da säet im Segen, der wird auch ernten im
Segen. Was wundert ihr euch, daß Unkraut unter dem Weizen
stehet? Hattet ihr den Samen gesichtet, ehe ihr ihn ausstreutet?
— Wer Unkraut säet, wird Mühe ernten. Wer auf sein Fleisch
säet, der wird vom Fleische das Verderben ernten; wer auf den
Geist säet, der wird vom Geiste das ewige Leben ernten. Was
der Mensch säet, das wird er ernten!"
Und alle Garben umher neigten sich und sprachen: „Amen!
Amen!"
25. Herbstlied.
t.Nüher rückt die trübe Zeit,
und ich fühl's mit Beben:
schwinden muß die Herrlichkeit,
sterben junges Leben.
Waldesschmuck und Blüthenpracht
sinken bald in GrabeSnacht; —
Scheiden das macht Leiden.
2. Blumen auf der grünen Au'
still ihr Haupt schon neigen;
Sommerabendlüfie lau
rauhen Stürmen weichen;
Vögel auf der Bergeshöh',
Schmetterling am tiefen See
müssen von uns scheiden.