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87. Die königliche Leiche.
1. Was zieht mit bangen Schritten
so schweigend durch die Nacht?
Es wird des Königs Leiche
in's nahe Schloß gebracht;
2. des Königs, der dem Volke
in Noth und in Gefahr
ein Schutz, so wie im Frieden
ein treuer Vater war;
4. Zwölf kampfergraute Krieger,
sie tragen einen Sarg,
in welchen man die Hülle
des besten Königs barg.
5. Kein glänzendes Gepränge
bezeichnet seine Bahn;
doch aus dem treuen Volke
schließt jeder gern sich an.
3. des Königs, dessen Milde
man rühmte weit und breit,
in dessen Krone glänzte
die Perl' „Gerechtigkeit."
6. So wird, langsamen Schrittes,
in stiller Mitternacht
der König, wie er lebte,
einfach, zur Ruh' gebracht.
7. Und Einen sah' man folgen
dem schwarzen Todtenschrein:
Der edle Sohn des Vaters.
Ein Trost soll es uns seinl
88. Charlottenburg.
1. Ernst rauschen düft're Tannen
an Friedrich Wilhelms Gruft,
und stille Blumen hauchen
rings süßen Opferduft.
2. Auf seinem Marmorgrabe,
da liegt sein Bild von Stein;
durch bunte Scheiben leuchtet's
blau und rosig herein.
5. An ihres Königs Seite
ruht die erhab'ne Frau;
die heil'ge Stille wehet
mild durch den Marmorbau.
6. Und wenn in Tannenwipfeln
der letzte Strahl verschwand,
dann leuchten fromme Sprüche
in Goldschrift von der Wand.
3. An ihres Königs Seite
sie ruhet hold verschämt,
das süße Aug' geschloffen,
das Haupt bediademt,
4.1?uise — theurer Name,
der hell wie Glocken klingt
und all' die treuen Herzen
wie Orgelschall durchdringt!
7. Im schlichten Kriegermantel
vom Knlmer Siegesfeld
schläft so mein Herr und König,
der fromme Preußenheld,
8. schläft dort Herr Friedrich Wilhelm
bis auf den jüngsten Tag,
da Gott der Herr zu Freuden
ihn auferwecken mag!
89. König Friedrich Wilhelm IV.
Friedrich Wilhelm als Kronprinz.
König Friedrich Wilhelm IV. wurde am 15. October des Jah¬
res 1795 geboren. Zweiundsiebenzig Kanonenschüsse verkündeten
dies Ereigniß der Residenz Berlin. Unter der sorgfältigen Lei¬
tung seiner Eltern, des damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm
und der Kronprinzessin Luise, wurde der junge Prinz für seinen
hohen Beruf erzogen. Schon in seiner Jugend hat er sehr traurige
Tage erlebt, als das Vaterland in den Unglücksjahren von 1806
an unter der Zwangherrschaft Napoleons stand. Doch auch diese
Tage sollten ihren Segen für den Prinzen haben. Seine Mutter
sagte: „Besonders wohlthätig ist es dem Kronprinzen, daß er das