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Und bei der Sonne Morgenlicht
schaut's Bienlein, nnd es fliegt heran
und denkt: „Das wird mein Kaffee sein?
sie haben kostbar Porzellan.
Wie sauber seh'n die Kelchlein aus!"
So steckt'ö sein Züngelchen hinein
und trinkt und sagt: „Wie schmeckt's so süß!
Der Zucker muß doch wohlfeil sein."
Zum Sommer sprach der liebe Gott:
„Deck' auch dem Spätzlein seinen Tisch!"
Darauf der Kirschbaum Früchte trug,
viel tausend Kirschen roth und frisch.
Und Spätzlein sagt: „Jst's so gemeint?
Da nimmt man Platz und fragt nicht lang;
das giebt mir Kraft in Mark und Bein
und stärkt die Kehle zum Gesang."
Zum Spätling sprach der liebe Gott:
„Räum' ab, sie haben alle jetzt!"
Drauf kam die kühle Bergesluft,
und schon hat's kleinen Reif gesetzt.
Die Blätter werden gelb und roth
und fallen bei des Windes Weh'n;
und was vom Boden aufwärts kommt,
muß auch zum Boden abwärts geh'n.
Zum Winter sprach Gott zum Beschluß:
„Deck' wacker zu, was übrig ist!"
Da streut' er Schnee im Ueberfluß.
38. Die Eichel.
Habt ihr wohl schon darüber nachgedacht, wie viel in einer Eichel steckt?
Ihr habt schon hundert Mal Eicheln in der Hand gehabt und sie auch angeguckt
und wißt, wie sie aussehen, und würdet keine statt Nüsse kaufen. Auch brauche
ich euch nicht zu sagen, daß sie gutes Schweinfutter geben, aber das Fleisch
etwas rauh machen. Das ist aber noch lange nicht genug und braucht kein
Kopfzerbrechen. — Der liebe Gott hat seine Wunderwerke vor uns hingestellt,
nicht blos damit wir sie ansehen und gebrauchen; denn dies thun auch die
Thiere. Er hat nicht bloß wundervolle Augen in unsern Kopf gesetzt, sondern
auch in unsere Seele, und mit beiden müssen wir zugleich schauen, wenn wir
rechte Menschen sein wollen. Da freut man sich denn auch jedesmal, wenn man
wieder eine neue Spur von der Weisheit und Allmacht des Schöpfers gefun«
den hat. Schon ein Künstler ist nicht zufrieden, wenn man sein Werk nur so
obenhin betrachtet, und doch sind seine Sachen nur Stümpereien gegen die
Werke Gottes. Diese sind lauter Wunder; daher ist eö schon der Mühe werth,
daß man seinen Verstand gebraucht und immer aufs Neue wieder darüber nach¬
denkt. Du wirst dabei niemals leer ausgehen und deine Hände immer besser
falten lernen. — Ein solches unerforschliches Wunder ist auch eine Eichel. Man
sieht es ihr freilich nicht an; aber eS ist dennoch wahr. Sie sieht ganz ein¬
fach aus. Ihre Schale ist glatt und hat nicht einmal eine besondere Farbe,