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83. Der traurige Sohn.
Ein reicher Mann, der viele Felder und schöne
Gärten besass, hatte einen einzigen Sohn, den er sehr
liebte. Diesen sandte er in die Fremde, damit er
Wissenschaft einsammele, und in Vielem geschickt
würde. Nach einigen Jahren kehrte derselbe in die
Heimath zurück. Da freuete sich der Vater und stellte
ein Fest an. x\ber der Sohn wandelte missmuthig
einher und vermied das Angesicht des Vaters. Gram
zeigte sich in seinen Augen, und wo Freude herrschte
da wandte er seine Blicke weg. „Bist du krank,
mein Sohn?“ fragte ihn der Vater und fasste seine
Hand. „Nicht doch!“ erwiderte er, indem er seine
Blicke niedersenkte. „So sei denn auch heiter an
dem Tage, auf den wir uns so lange gefreut haben!“
sprach der Vater und liess mit bekümmertem Herzen
seine Hand wieder los. Der Sohn aber wandelte eben
so trübsinnig wie vorher.
Da führte ihn der Vater in eine Laube, die auf
einer Anhöhe des grossen Gartens stand, und sagte
zu ihm: „Siehe, diese Laube haben wir dir zur Freude
gemacht, damit du weit umher sehen könnest auf die
Herrlichkeit des Feldes. Dort am Fusse des Hügels
hiesst das Bächlein, und hier im Gesträuche bauen die
Nachtigallen ihre Nester. Nirgend glänzet der Früh¬
ling schöner als hier. Darum sei fröhlichen Muthes
und guter Dinge, mein Sohn!“ Aber die Stirn des
Jünglings ward trüber, und er wandte sich weg von
der lieblichen Anhöhe.
Bald nachher kamen die Jugendfreunde des Jüng¬
lings und freueten sich, ihn wieder zu sehen. Nun
wird er sieh erheitern, dachte der Vater und sprach
zu ihm: „Komm! mein Sohn, die Freunde deiner
Jugend sind da und wünschen dich in ihrer Mitte zu
sehen und sich mit dir zu freuen.“ Aber der Jüng¬
ling wandte sich von dem Antlitze seines Vaters und
wollte sich verbergen vor den Freunden seiner Kind¬
heit. Da folgte ihm der Vater nach und umarmte ihn
mit bewegtem Herzen. „Ach, mein Sohn!“ sprach
er, „warum thust du mir das? Was nützet mir all’
deine Weisheit und Kunst der Fremde, wenn du die