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Ach Nürnberg; hernach ein wenig nach Petersburg hinein.
Pfälzer Schneider schlag r 7 bis 800 Stunden Weges
"icht hoch an, wenn's ihn inwendig treibt. In Petersburg
aber ließ er sich unter ein russisches Kavallerie - Regiment
als Regimentsschneider anwerben, und ritt mit ihnen in die
freinbe, russische Welt hinein, wo Alles anders ist, nach
Pensa, bald mit der Nadel stechend, bald mit dem Schwert.
Pensa aber, wo er sich nachher häuslich uud bürgerlich
niederließ, ist er jetzt ein angesehenes Männlein. Will Je¬
mand ein sauberes^ Kleid nach der Mode haben, so schickt
bk es zu dem deutschen Schneider in Pensa. Verlangt er
stwas von dem Statthalter, der doch ein vornehmer Mann
iñ und mit dem Kalser reden darf, so wie ein guter Freund
vom andern verlangt, und hat auf 30 Stunden Weg's ein
Mensch ein Unglück oder einen Schmerz: so vertraut er sich
dem Schneider in Pensa an; er findet bei ihm, was ihm
kehlt: Trost, Rath, Hülfe, ein Herz und ein Auge voll Liebe,
Obdach, Tisch, Bett, nur kein Geld. Einem Gemüth, wie
dieses war, daß nur in Liebe und Wohltbun reich ist, blühte
auf den Schlachtfeldern des Jahres l8i2 eine schöne Freu¬
denernte. So oft ein Transport von unglücklichen Gefan¬
genen kam, warf er Scheere und Elle weg, und war der
erste auf dem Platze, und: „sind keine Deutsche da?" war
keine erste Frage; denn er hoffte von einem Tage zum an¬
dern, unter den Gefangenen Landsleute anzutreffen, und
kreute sich, wie er ihnen Gutes thun wollte, und liebte sie
schon zum Voraus, ungesehener Weise. Wenn sie nur so ,
oder so aussehen, dachte er — wenn ihnen auch recht viel
kehlt, damit ich ihnen recht viel Gutes erweisen kann! Doch
Nahm er, wenn keine Deutsche da waren, auch mit Fran¬
zosen vorlicb, und erleichterte ihnen, bis sie weiter geführt
wurden, ihr Elend, als nach Kräften er konnte. Diesmal
aber, als er mitten unter so Viele auch Darmstädtcr und
Andre hinein rief: „Sind keine Deutsche da?" —er mußte
Zum zweitenmal fragen, denn das erstemal konnten sie vor
Staunen und Ungewißheit nicht antworten, und das süße,
deutsche Wort in Asien verklang in ihren Ohren wie Har¬
kentöne — und als er hörte: „Deutsche genug!" und von
Jedem erfragte, woher er sei — er wäre mit Meklcnbur-
gern und Kursachsen auch zufrieden gewesen; aber einer
sagte: „von Mannheim am Rheinstrom," als wenn der