Full text: Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands

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über die Augen und war in wenigen Minuten entschlafen. Dieser Brave 
hieß Puzzier. 
5. Die Kugeln kamen warm! Als die Verbündeten 1814 nach 
Paris vorrückten, wurden in einem Gefechte russische Jäger von französischer 
Infanterie zurückgedrängt. Friedrich Wilhelm III. wollte sich von dem, 
was vorging, näher überzeugen. Eben langte er ans dem Kamm der Höhe 
an, auf welcher die Russen standen, als die Franzosen bergauf gingen. So 
empfing er in großer Nähe die Salve der feindlichen Infanterie. Ruhig 
wandte der König sein Pferd und sagte zu seiner Umgebung: „Die Kugeln 
kamen warm aus dem Laufe!" 
143. Reiters Morgenlied. 
1. Morgenroth, 
leuchtest mir zum frühen Tod. 
Bald wird die Trompete blasen; 
dann muß ich mein Leben lassen, 
ich und mancher Kamerad. 
2. Kaum gedacht, 
war der Lust ein End' gemacht. 
Gestern noch auf stolzen Rossen, 
heute durch die B ust geschossen, 
morgen in das kühle Grab. 
3. Ach, wie bald 
schwindet Schönheit und Gestalt! 
Prahlst du gleich mit deinen Wangen, 
die wie Milch und Purpur prangen: 
ach, die Rosen welken all'! 
4. Darum still 
füg' ich mich, wie Gott es will. 
Nun, so will ich wacker streiten, 
und sollt' ich den Tod erleiden, 
stirbt ein braver Reitersmann. 
146. Untertliaiientreue. 
Die Stadt Freiberg im Sachsenlande führt aus alter Zeit den 
Namen „Freiberg die Getreue.“ Woher hat sie den Namen? Kur¬ 
fürst Friedrich der Sanftmüthige lag mit seinem Vetter Wilhelm 
von Weimar im Streite wegen Theilung des Landes. Friedrich be¬ 
mächtigte sich der Stadt Freiberg, welche zu Wilhelms Theile ge¬ 
hörte, und verlangte auf der Stelle, dasz die Stadt nun eine Anzahl 
Truppen zum Kampfe gegen ihren Herzog stellen sollte. Da ver¬ 
sammelte sich der Rath der Stadt und war bald einig, dasz sie ihrem 
Herrn treu bleiben wollten. In feierlicher Ordnung zogen die 
wackern Männern, ihre Sterbekleider mit sich tragend, vom Rath¬ 
hause auf den Markt, wo der Kurfürst mit seinen Truppen stand. 
Dort schlossen sie eineu Kreis um ihren Bürgermeister Nicolaus 
Weller von Molsdorf, einen ehrwürdigen Greis mit grauem Haupte. 
Dann trat der Alte hervor und gab im Namen der ganzen Stadt 
folgende Erklärung: „Die Bürgerschaft Freibergs ist alle Stunden 
bereit, ihr Leben im Dienste Ew. Kurfürstlichen Durchlaucht aufzu¬ 
opfern ; aber unmöglich kann sie sich entschlieszen, dem Eide der 
Treue zuwider, den sie Herzog Wilhelm geschworen, die Waisen 
gegen ihn zu ergreifen. Doch sie vertraut der bekannten Grosz-
	        
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