Full text: Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands

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Bollwerk geben. Laszt dann die Dänen kommen, so wollen wir 
sie erwarten." 
Dieser Rath gefiel allen wohl. Sie holten die Bäume und 
zogen sie zu den Schiffen und begossen sie mit Wasser, und es ward 
so ein gläserner Wall. Diese Arbeit war kaum vollbracht, so ka¬ 
men die Dänen in Haufen über’s Eis und vermeinten, die Schiffe zu 
erobern; aber wiewohl der Dänen wohl vier waren auf einen Wis¬ 
marschen, so muszten sie doch mit groszem Schaden davon ziehen 
und die Schiffe bleiben lassen. Das verdrosz die Dänen über die 
Maszen, und weil sie gesehen hatten, dasz sie vor dem Bollwerk 
nicht an die Schiffe heran kommen könnten, wollten sie eine Kriegs¬ 
maschine zurichten, die man eine Katze nennt, und liefen in das 
Holz, wo die Wismarschen die Bäume gehauen hatten. Der Haupt¬ 
mann von Wismar, Meister Hugo, erkannte bald ihre Anschläge und 
liesz in der Nacht um die Schiffe einen breiten Streif auseisen und 
die Eisschollen liesz er niederdrücken. Nicht lange darauf kamen 
die Dänen mit ihrem Volke und bedachten nicht, dasz die Wismar¬ 
schen geeist hätten, denn es war oben wieder zugefroren, und 
kamen mit groszem Ungestüm und meinten jetzt die Schiffe zu ge¬ 
winnen, denn es verdrosz sie, dasz sie vormals mit Schande zurück¬ 
weichen muszten. Aber es ist ein altes Sprichwort: „Grosze Eile 
giebt selten gute Weile." So’ ging es den Dänen diesmal auch, 
denn sie fielen zu Haufen in das Wasser, und der eine drängte dem 
anderen nach, so dasz mehrere den Tag ertranken. Zu diesem 
Schaden muszten sie noch Spott dazu haben ; denn die auf den 
Schiffen riefen: „Kiz ! Kiz!" So pflegt man zurufen, wenn man 
die Katzen jagt. 
So erhielten die Wismarschen ihre acht Schiffe durch List und 
harte Arbeit, bis Gott ein andres Wetter gab, dasz das Eis verging; 
da liefen sie nach Stockholm und entsetzten die Stadt. 
204. Die Pfeife. 
Benjamin Franklin erzählt: Als ich ein Knabe von sieben Jahren 
war, füllten mir einst an einem Feiertage meine Verwandten die Taschen 
mit Kupfermünzen. Ich wußte nun nichts eiliger zu thun, als damit nach 
einem Kaufladen zu gehen, wo man Kindcrfpielzeug verkaufte. Schon auf 
dem Wege dahin begegnete ich aber einem andern Knaben mit einer Pfeife, 
deren Ton mir jo wohl gefiel, daß ich ihm freiwillig all' mein Geld dafür 
bot. Vergnügt über meinen Handel eilte ich wieder nach Haufe und durch- 
zog pfeifend das ganze Haus; denn mciM: Pfeife machte mir eben so viel 
Freude, als ich damit die ganze Familie belästigte. Als meine Brüder, 
Schwestern, Vettern und Basen von meinem Handel hörten, sagten sie mir, 
daß ich viermal mehr für die Pfeife gegeben hätte, als sie werth sei. Dies 
machte mich nun erst aufmerksam darauf, wie viele schöne Sachen ich für
	        
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