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guten Zwerg, um gen Worms zu reiten-, denn sein treues Rosz fand Sieg¬
fried noch unten am Fusze des Berges.
Als sie aber eine kurze Strecke geritten waren, fiel Siegfried ein,
dasz der Schatz, den er im Berge gesehen hatte, ihm als.dem Besieger des
Drachen gehöre, denn er wuszte ja nicht, dasz es der Hort der Nibelungen,
des guten Zwergvolkes, sei. So ritt er zurück und lud den Schatz auf
sein Rosz. Derselbe brachte ihm aber kein Glück.
Am Hofe zu Worms wurden nun Siegfried undKriemhild mit groszen
Freuden empfangen, und bald ward ihre Vermählung mit aller Pracht
gefeiert. Es war ein herrliches Königspaar, und sie regierten mit groszen
Weisheitund Gerechtigkeit; mitihrem Golde linderten sie, wo sie konnten,
jede Noth der Armuth.
Aber ihr groszes Glück erregte bald den Neid von Kriemhildens
Brüdern. Sie stifteten den grimmigen und düsteren Hagen an, Siegfried
zu ermorden. Einst forderte Hagen ihn auf, mit ihm einen Wettlauf
zu machen; Siegfried kam zuerst an das Ziel, einen kühlen Brunnen im
Walde, und da er sich bückte um zu trinken, durchbohrte ihn hinterrücks
der böse Hagen an der einzigen Stelle, zwischen den Schultern, wo er
verwundbar war. So endete der herrliche Siegfried. Den Nibelungen¬
schatz aber versenkte Hagen heimlich in den Rhein; an dessen Grunde
soll er noch heutzutage liegen.
212. Siegfrieds Schwert.
1. Jung Siegfried war ein stolzer Knab',
ging von des Vaters Burg herab.
2. Wollt' rasten nicht in Vaters Haus,
wollt' wandern in alle Welt hinaus.
3. Begegnet' ihm manch Ritter werth
mit festem Schild und breitem Schwert.
4. Siegfried nur einen Stecken trug,
das war ihm bitter und leid genug.
5. Und als er ging im finstern Wald,
kam er zu einer Schmiede bald.
6. Da sah er Eisen und Stahl genug,
ein lustig Feuer Flammen schlug.
8. Und lehr' du mich mit Fleiß und
Acht,
wie man die guten Schwerter macht!"
9. Siegfried den Hammer wohl schwin¬
gen kunnt',
er schlug den Ambos in den Grund.
10. Erschlug, daß weit der Wald er¬
klang
und alles Eisen in Stücke sprang.
l I. Und von der letzten Eisenstang'
macht er ein Schwert, so breit und
lang.
12. „Nun hab' ich geschmiedet ein gutes
Schwert,
nun bin ich wie andre Ritter werth.
7. „0 Meister, liebster Meister mein,
laß du mich deinen Gesellen sein.
13. Nun schlag' ich wie ein andrer Held
die Riesen und Drachen in Wald und Feld.
213. Die treue Gudrun.
(Nordseesage.)
1. Wie Gudrun mit Herwig verlobt ward.
ln alten heidnischen Zeiten herrschte über die Friesen, welche den langen
Festlandssaum und die Inseln der Nordsee bewohnten, der mächtige König Hettel
Seine Gemahlin war die schöne Hilde von Irland, Tochter des gewaltigen Hagen