Full text: Lesebuch für obere Classen in katholischen Elementarschulen

Meine Freuden sind die Engel, 
Oft seh' ich sie ja im Traum; 
Doch ich selbst bin noch voll Mängel, 
Uno ihr Bild zerrinnt in Schaum. 
Darum soll die Unschuld nimmer 
Meinem Herzen fremde sein; 
Es vergeht der and're Schimmer, 
Unschuld führt zum Himmel ein. 
So bleibt denn des Herren Güte 
jDroben überm Sternenzelt 
^Höchste Freude dem Gemüthe, 
!Bis mir aufgeht jene Welt. 
131. Der Schutzengel. 
Sich, ich sende meinen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem 
Wege und dich bringe an den Ort, den ich bereitet habe, 
f II. (Mos. XXIII. 20.) 
Beim hellen Sonnenscheine 
Sichst du die Sterne nicht; 
Doch kommt die Nacht, die bleiche, 
Dann strahlt ihr stilles Licht. 
Wenn dir voll Lust und Freude 
Die Welt entgegen lacht, 
Dann hörst du nicht den Engel, 
Der treulich deiner wacht. , 
Er ruft bir dann so warnend: 
»Geh nicht dahin, mein Kind! 
Die Mutter hats verboten, 
Drum folge ihr geschwind!" 
Du hörst nicht auf sein Warnen, 
Du schlägst eö in den Wind, 
Und springst in Lust von dannen, 
Du unbesonnen Kind! 
Du eilst zum schmalen Stege 
Und kennst nicht die Gefahr; 
Den tiefen, tiefen Abgrund, 
Den wirst du nicht gewahr. 
Die Mutter sieht's und zittert, 
Und ringt voll Angst die Hand. 
Sie sieht ihr Kind schon stürzen 
Hinab die Felsenwand. 
Doch sieh, der treue Engel, 
Den du verlassen hast, 
Er hält mit seinen Armen 
Dich schützend jetzt umfaßt. 
Und über dunkle Gründe, 
Gar manchen schmalen Steg, 
Führt er dich treu hinüber 
Auf deinem Lebensweg. 
Drum ruhig, liebe Mutter! 
Es ist in guter Hut: 
Ein Engel wacht des Kindes, 
Ein Engel wachet gut. 
Du aber hör' den Engel, 
Wenn er so warnend spricht! 
Denn Kinder, die nicht hören, 
Die schützt er zweimal nicht. 
132. Mutterliebe. 
In einer blühenden Ebene Italiens, zwischen duftenden Limo- 
nmwäldern, beglückte die gute Clementine in einem einsamen Häus¬ 
chen einen Mann und drei Kinder mit unaussprechlicher Liebe. 
Eines Tages halte sie von der kühlen Dämmerung des Mor¬ 
gens an bis zum schwülen sinkenden Abend, indeß ihr Gatte in 
Geschäften entfernt war, emsig gearbeitet und, ohne nur einmal 
an sich zu denken, rastlos ihre Kräfte an der Beschickung des 
Hauses und der Besorgung ihrer Kleinen erschöpft. Froh der 
vollendeten Arbeit, trat sie in die Thür der Hütte und schaute 
mütterlich sorgsam hinaus nach ihrem Knaben Antonio, der in der 
Nähe mit der kleinen Schwester Francisca an einem Lorberge- 
sträuche im Schalten von Olivenbäumen einträchtig spielte. Be¬ 
friedigt eilte sie zurück in die arme, reinliche Stube, besetzte dm
	        
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