Full text: Lesebuch für die evangelischen Volksschulen Württembergs

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Und der Gras beginnt zn trauern, 
Denn des Kaisers Zorn ist schwer; 
Aber aus den offnen Lücken 
Tritt hervor manch Angesicht, 
Brust an Brust zusammenrücken, 
Und die Mauer selber fichr. 
Abends spiegelt noch am Himmel 
Sich des Kampses dunkle Glut, 
Bis mit seines Heers Gewimmel 
Rudolph in den Zelten ruht. 
Doch den Bürgern in der Mauer 
Keine Rast gegeben ward; 
Sie umstehn in nächtger Dauer 
Ihren Vater Eberhard. 
Aber als mit Morgenhelle 
Sah der Kaiser' von den Höhn, 
Wie sie hinterm Blut der Wälle 
Neuem Sturm entgegenstehn, 
Mußt ihn selbst des Sturms ver¬ 
drießen, 
Schickt den Herold in die Stadt: 
Laßt den Vater mich begrüßen, 
Der so treue Kinder hat. 
Und Versöhnung ward geschlossen, 
Frseden ist dem Land geschenkt; 
Rudolph hat mit A^ann und 
Rossen 
Seinen Zug ins Reich gelenkt; 
Aber aus zerbrochnen Zinnen 
War dem Grafen wohl bewußt: 
Schutz, wie Pehier zu gewinnen, 
Sei des Volkes treue Brust. 
Zwischen rebumkränzten Höhen 
Kennt ihr die gepriesne Stadt, 
Wo die besten Mauern stehen, 
Die kein Sturm bezwungen hat? 
Trotzend allen Kriegesschauern, 
Als zerbrochen war der Stein^ 
Stellten Bürgerlich zu Mauern: — 
Stuttgart soll ihr Name sein. 
Kaiser Rudolph, der erste aus dem Geschlecht Habsburg, mußte 
mehrmals gegen den streitlustigen Grafen Eberhard I., den Erlauch¬ 
ten, von Württemberg, dessen Wahlspruch war: „Gottes Freund und 
aller Welt Feind", zn Feld ziehen; die Belagerung von Stuttgart 
zog sich durch Eberhards Tapferkeit und der Bürger Treue und Muth 
so lange hin, daß der Kaiser gerne die Hand zum Frieden bot. Die 
Mauern mußten geschleift werden, Eberhard um Verzeihung bitten 
und Ruhe versprechen, aber erst 1287 unterwarf er sich dem Kaiser 
gänzlich; Stuttgart ließ er wieder befestigen. 
149. Gras Eberhard der Rauschebart. 
1» Der Ueberfall im Wildbad. 
Graf Eberhard II. von Württemberg, mit dem Beinamen der Greincr (d. h. 
Zänker), regierte von 1344 — 1392, in einer höchst unruhigen Zeit. Die deutschen 
Kaher, Karl IV., Wenzel und Ruprecht kümmerten sich zum Theil um die Reichs- 
angelegeuheiten nicht, theils fehlte ihnen die Kraft, den Landfrieden aufrecht zn 
erhalten. Die schwäbischen Städte, durch die Erfolge der Schweizer ermnthigt.
	        
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