Full text: Lesebuch für die evangelischen Volksschulen Württembergs

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Arm; bestürzt flohen sie aus Frankreich. Aber die Verbündeten rückten rasch 
heran. Bei Waterloo in Belgien kam es zur Hauptschlacht, am 18. Juni 
1815. Wellington und der tapfere B lüch er erfochten hier den voll¬ 
ständigsten Sieg; das französische Heer ward vernichtet. Napoleon floh nach 
Paris und dankte hier zu Gunsten seines Sohnes zum zweitenmal ab; er 
selbst begab sich an Bord eines englischen Kriegsschiffs, um sich nach Amerika 
überschiffen zu lassen. Aber nicht sein Sohn, sondern die Bourbonen wur¬ 
den wieder auf den Thron gesetzt; und er selbst wurde in das ferne at¬ 
lantische Weltmeer, auf das Felseneiland Sanct Helena, verbannt. 
Man hat von Napoleon noch Schularbeiten aus seiner Knabenzeit auf¬ 
gefunden. Ein Auszug, den er aus einem Geographiebuch gemacht hatte, 
schließt mit den Worten: „Sanct Helena, kleine Insel." Und siehe, auf 
dieser „kleinen Insel" sollte der „große Napoleon" das Buch seines thaten- 
reichen Lebens beschließen. Sechs Jahre verlebte er hier, getrennt von seiner 
Familie, nur von wenigen Treuen begleitet, in dem traurigen Bestreben, die 
Größe und Reinheit seiner Gesinnungen und Thaten zu beweisen, eine ausge¬ 
brauchte Ruthe, damit der Herr aller Herren die Völker gezüchtigt hat. 
197. Wie ein österreichischer Dauer -en Franzosen den Weg 
nicht zeigt. 
Ein Bauer sollte beim ersten Andringen der Franzosen auf Wien (1809) der 
Führer einer Truppenabtheilnng werden, mit der man einen wichtigen Plan durch 
einen Nachtmarsch auszuführen gedachte; der Bauer aber weigerte sich. Heftig 
drang der den Vortrab dieses Zuges befehligende französische Offizier in ihn; der 
Bauer blieb ruhig bei seiner Weigerung. Der Offizier fing nun an, ihn mit Ver¬ 
sprechungen zu bestürmen, und bot ihm endlich seine reich gefüllte Börse mit Gold 
an; aber Alles vergebens. Inzwischen langte der Zug selbst an, und der diesen 
sührende General war sehr erstaunt nnd erzürnt, den Vortrab noch anzutreffen. 
Der Offizier erzählte, daß der einzige des Weges kundige Mann sich weigere, ihr 
Wegweiser zu sein, obgleich er Alles aufgeboten habe, ihn dazu zn bewegen. Der 
Bauer ward hierauf vorgeführt. „Entweder", rief der General ihm zu, „du zeigst 
uns den rechten Weg, oder ich lasse dich todtschießen". — „Ganz gut", erwiederte 
der Bauer, „so sterbe ich als rechtschaffener Unterthan, und brauche nicht Landes- 
verräther zn werden". — Der General bot ihm erstaunt die Hand und sprach: 
„Geh heim, wackerer Mann; wir wollen uns schon ohne Führer behelfen." 
198. Unglück der Stadt Leiden. 
Diese Stadt heisst schon seit undenklichen Zeiten Leiden 
und hat noch nie gewusst, warum, bis am 12. Jänner des 
Jahrs 1807. Sie liegt am Rhein in dem Königreich Holland,
	        
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